75 Jahre Friedensabkommen
Die Weltwirtschaftkrise breitete sich 1929 wie ein Steppenbrand von Amerika her über Europa aus. Die Schweiz traf sie anfangs der 30er Jahre voll und akzentuierte sich in den folgenden Jahren. Der Zerfall des Welthandels legte die Schweizer Exportindustrie fast komplett lahm, die Arbeitslosigkeit stieg in ungeahnte Höhen – soziale Unruhen und Streikwellen mussten befürchtet werden.
Um Lohnstreitigkeiten zu verhindern und so weiteres Konfliktpotential zu entschärfen, griff die Schweizer Regierung in die freie Wirtschaft ein. Sie wollte fortan die Löhne diktieren und ihr freies Aushandeln unterbinden. Damit tangierte sie aber die Hoheitsrechte der Unternehmer und Arbeiterschaft. Beide Seiten fühlten sich entmündigt und bedroht. Im Widerstand gegen die verordnete staatliche Zwangsschlichtung und angesichts der wirtschaftlichen Ausnahmesituation setzten sich die Spitzen der grössten Gewerkschafts- und Unternehmerorganisationen an den runden Tisch: Am 19. Juli 1937 unterzeichneten sie das sogenannte Friedensabkommen.
Die Parteien vereinbarten, auf Streiks fortan zu verzichten. Anfänglich wurde der Grundsatz des Arbeitsfriedens nicht wirklich geachtet. In den 50er Jahren entfaltete der Vertrag aber endgültig seine besänftigende Wirkung. Die Arbeitnehmer verzichteten auf Streik und erhielten im Gegenzug Rechte und Leistungen. Fortan bekam das Friedensabkommen nationale Wirkungskraft und internationales Ansehen. Der Grundsatz des Arbeitsfriedens hat sich durchgesetzt und hält sich bis in die Gegenwart.
So feiern wir heute 75 Jahre Friedensabkommen. Als Motto der Festlichkeiten reicht aber ein blosses "Jubel, Trubel, Heiterkeit" nicht. Das wäre zu einfach. Wer den Anspruch auf Wahrhaftigkeit hat, muss vermeintlich ehrwürdige Bräuche überdenken. Und gerade Jubiläen sind besonders geeignet, eine kritische Standortbestimmung vorzunehmen. Sachverhalte kontrovers zu diskutieren; und falls nötig, neue Impulse zu setzen. Das vorliegende Apunto soll dazu einen Beitrag leisten.
Auf den folgenden Seiten finden Sie verschiedenste Meinungen zum Friedensabkommen. Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft haben sich kurios, witzig und sehr ernsthaft mit dem Grundsatz des Arbeitsfriedens auseinander gesetzt. Entstanden ist ein reichhaltiges Potpourri an Meinungen, Geschichten und Fakten. Viel Spass bei der Lektüre!