Neues Arztzeugnis breitet sich aus
Ab 1. Juli 2009 wurden auch in den Kantonen Aargau, Solothurn und Basel die neuen Arztzeugnisse eingeführt.
Der Arbeitgeberverband des Rheintals AGV und der Ärzteverein Rorschach/Rheintal lancierten das Projekt „neues Arztzeugnis“ aufgrund einer Initiative der PGI (Personal Erfa-Gruppe Industrie Rheintal). In St. Gallen und in den beiden Appenzeller Halbkantonen kommen die neuen Arztzeugnisse bereits seit dem 1. Januar 2007 zum Einsatz.
Ersatz des „blauen Zettels“
Was ist neu bei diesen Arztzeugnissen? Während das alte Arztzeugnis, der so genannte „blaue Zettel“, lediglich dem Arbeitgeber darüber Auskunft gab, zu wie viel Prozent der Arbeitnehmer arbeitsunfähig sei, wird beim neuen einfachen Arbeitszeugnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitszeit unterschieden. Im Falle einer Teilarbeitsunfähigkeit kann der Arzt somit Angaben zur zumutbaren Arbeitsintensität und zur zumutbaren Anwesenheit im Betrieb machen. Dies soll Klarheit darüber schaffen, wie genau die Arbeitszeit und -intensität umzusetzen sind. Es ist ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter bei einer 50-prozentigen Arbeitsfähigkeit den ganzen Tag im Betrieb ist, aber nur die halbe Arbeitsleistung erbringt, oder ob er nur einen halben Tag anwesend, in dieser Zeit aber voll leistungsfähig ist. Hier setzt das neue einfache Arbeitszeugnis an. Des Weiteren wurde der Vermerk „Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber erwünscht“ angebracht, so dass der behandelnde Arzt allenfalls mit dem Arbeitgeber über eine Lösung für einen reduzierten Einsatz des Patienten sprechen kann. Mit der Neuerung sollen eine optimale Rekonvaleszenz sowie die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gefördert werden, so die Initianten. Die einfache Arbeitszeugnis wird vom Arzt kostenlos ausgestellt.
Die zweite Neuheit ist das so genannte detaillierte Arztzeugnis, das der Arbeitgeber verlangen kann, sollte ihm das Kurzzeugnis nicht genügen. Grundlage hierfür ist ein Arbeitsplatzbeschrieb. Der Arzt beurteilt aufgrund dieses Beschriebs, was der Arbeitnehmer machen kann, was nicht und in welchem Ausmass er arbeiten kann. Die Kosten von 60 Franken für das detaillierte Arztzeugnis trägt der Arbeitgeber, von dem auch die Initiative dafür ausgeht. Telefonische Rückfragen des Arbeitgebers beim zu behandelnden Arzt sind auch hier möglich und erwünscht.
Arztgeheimnis bleibt bewahrt
Apunto sprach mit der Basler Ärztin Susanne Lingenhel über die neuen Arztzeugnisse.
Frau Dr. Lingenhel, beim bisherigen Arztzeugnis war es ja nicht üblich bzw. möglich, dass der Arbeitgeber beim zu behandelnden Arzt Rückfragen stellen konnte. Bei den beiden neuen Arztzeugnissen ist dies sogar erwünscht. Stellt dies für den Arbeitnehmer nicht einen grossen Nachteil dar, da die ärztliche Schweigepflicht angekratzt werden könnte?
Der Arbeitnehmer wird gefragt, ob er einverstanden ist mit einem eventuellen Austausch über seine Einsatzfähigkeit mit dem Arbeitgeber. Es bleibt aber dabei, dass wir als Ärzte nicht Auskunft geben dürfen, wollen und können über die Diagnose unserer Patienten.
Es wurde nach einer Möglichkeit gesucht, den Austausch zwischen allen drei Instanzen zu verbessern: Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arzt. Heute ist es häufig so, dass nicht immer klar ist, wo der Angestellte überhaupt arbeitet, geschweige denn, was er arbeitet.
Es ist übrigens bereits heute so, dass Arbeitgeber uns Ärzte anrufen und Auskunft wollen. Das ist immer heikel, wenn wir kein Einverständnis haben vom Patienten.
Arbeitnehmerorganisationen nicht einbezogen
Die Angestellten Schweiz begrüssen die Bemühungen zugunsten eines besseren Arztzeugnisses. Sie sind aber erstaunt, dass die Arbeitnehmerorganisationen nicht in den Prozess mit einbezogen wurden.
Ariane Modaressi
Das neue Arztzeugnis führt sowohl die zumutbare Arbeitsintensität als auch die zumutbaren Anwesenheit auf.
PS: Die Zeugnisse sind vom AGV des Rheintals und dem Ärzteverein Rorschach-Rheintal entwickelt worden.