Kind krank – kann ich frei nehmen?
Alle Eltern kennen es: Winter, in dem kein Kind die Grippe hat, besonders wenn es in die Krippe geht, sind rar. Genau in dieser Situation befinden sich Carlos Parema und seine Frau Clara. Ihr 2-jähriger Julio hat sich eine gemeine Grippe eingefangen und kann nicht mehr in die Kinderkrippe. Das Paar muss sich organisieren, um mit Julio zu Hause zu bleiben. Nun möchten Sie herauszufinden, wie viele freie Tage ihnen zustehen.
Clara stösst auf den Artikel «Bezahlter Urlaub für die Pflege enger kranker Angehöriger» der Angestellten Schweiz. Dort steht, dass Arbeitnehmende seit dem 1. Januar 2021 Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Pflege eines erkrankten Familienmitglieds oder Partners haben. Der bezahlte Urlaub ist auf die für die Pflege benötigte Zeit begrenzt, darf aber drei Tage pro Fall und insgesamt zehn Tage pro Jahr nicht überschreiten (Artikel 329h Obligationenrecht). Die neu eingeführte Bestimmung berechtigt also nicht nur zur Freistellung von der Arbeit zur Pflege des Angehörigen, sondern auch zur Lohnfortzahlung während dieser Zeit. Julios Grippe dauert sechs Tage. Die Eltern organisieren sich und nehmen je drei Tage Urlaub.
Sie drücken die Daumen, denn es ist erst Anfang Jahr und ihr Sohn neigt dazu, sich mit allen Keimen und Viren anzustecken, die herumschwirren. Ausserdem hat er die Windpocken noch nicht gehabt. Was ist aber, wenn Julio mehrmals im Jahr krank wird?
Der neue Artikel im Obligationenrecht führt drei Tage pro Fall und ein Maximum von zehn Tagen pro Jahr auf. Es gibt jedoch bei der Erkrankung eines Kindes Besonderheiten, die zu beachten sind. Zuerst einmal gibt es im Artikel 36 des Arbeitsgesetzes keine jährliche Begrenzung des Rechts auf Freistellung von der Arbeit für die Pflege eines Kindes.
Bei Bedarf kann der Urlaub also mehr als 10 Tage pro Jahr betragen. Die Frage ist dann, ob er bezahlt wird.
Die Frage der Lohnfortzahlung während der Zeit der Kinderbetreuung ist nicht im Arbeitsgesetz geregelt, sondern im Obligationenrecht, resp. für Arbeitnehmer*innen unter dem GAV MEM im neuen Artikel 20 Abs. 1 Buchstabe h. Ein zusätzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung bei der Betreuung eigener kranker Kinder ergibt sich aus Artikel 324a des Obligationenrechts. Denn bei der Betreuung des eigenen kranken Kindes handelt es sich um eine gesetzliche Betreuungs- und Fürsorgepflicht. Entsprechend ist es möglich eine längere Lohnfortzahlung zu erreichen, sollte die Betreuung des kranken Kindes mehr als 3 Tage resp. 10 Tage pro Jahr in Anspruch nehmen.
Im ersten Dienstjahr beträgt dieser Zeitraum maximal drei Wochen. Danach hängt er von der Anzahl der Dienstjahre und dem Kanton ab, in dem man arbeitet, bzw. von den jeweiligen betrieblichen Regelungen.
Letzte wichtige Information: Ihr Arbeitgeber kann von Ihnen ein Arztzeugnis verlangen. Die Beweislast liegt in einer solchen Situation beim Arbeitnehmer.
Sind Sie in einer solchen Situation? Der Rechtsdienst der Angestellten Schweiz berät Sie gerne!