Wie können Mitarbeiter den Betrieb zu mehr Umweltschutz bewegen?
Pierre Derivaz, Rechtsanwalt in unserem Rechtsdienst, beantwortet 7 Fragen zum Umweltschutz und den Mitsprachemöglichkeiten im Betrieb.
1. Ich versuche, klimafreundlich zu konsumieren, nutze fast nur noch ÖV und habe sogar Geld an eine Umweltschutzorganisation gespendet… Muss ich mich jetzt auch noch als Arbeitnehmer für die Umwelt einsetzen?
Als Konsument kann es schwierig sein, die Übersicht darüber zu behalten, was umweltfreundlich ist. Ist saisonales Bio-Obst aus Peru besser als nicht-saisonales, konventionelles Obst aus der Schweiz?
Als Arbeitnehmer verfügen Sie über fachspezifisches Knowhow und können besser einschätzen, was in Ihrem Aufgabengebiet und Unternehmen sinnvoll ist. Je mehr Arbeitnehmer sich zu einer inner- und ausserbetrieblichen Umweltpolitik des Unternehmens bekennen, desto einfacher wird es für Entscheidungsträger, die in diese Richtung fahren möchten, dies umzusetzen. Durch eine solche Unternehmenskultur wird Umweltschutz zu einem gemeinsamen Unterfangen, was motivierender wirken kann. Umgekehrt wird es schwieriger, die Thematik auszublenden.
2. Habe ich ein Recht daran, in Umweltfragen mitzusprechen?
Das Mitwirkungsgesetz sieht für Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertretungen ein Recht auf Information über alle kollektiven Belange vor. Durch gezieltes Nachfragen können Sie bereits auf dieser Grundlage erreichen, dass die Thematik immer präsent bleibt.
Durch (Weisung vom oder) Vereinbarung mit dem Arbeitgeber kann dieses Recht aufgebaut werden. So wird bspw. im GAV der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie empfohlen, der Arbeitnehmervertretung bezüglich Ökologie und Umweltpolitik des Unternehmens mindestens ein Recht auf Beratung einzuräumen, bevor die Entscheide gefällt werden.
Am meisten Einfluss haben Arbeitnehmer gemäss geltendem Recht aber nicht unbedingt im Unternehmen selbst, sondern in der Pensionskasse. Je nachdem, wie die Vorsorgeeinrichtung gestaltet ist, kommt den Arbeitnehmervertretern ein Mitentscheidungsrecht über die Anlagestrategie zu. Dadurch kann ein verantwortungsbewusstes Anlegen sichergestellt werden.
3. Was ist, wenn mein Arbeitgeber zu klein ist und keine besonderen Ressourcen in den Umweltschutz investieren kann?
Oft bedeutet Umweltschutz einen gewissen Einstiegsaufwand. Um wirksam zu handeln – sprich um den Handlungsbedarf und das Handlungspotential zu eruieren – ist eine Analyse der Ist-Situation unumgänglich. Für kleine Unternehmen ist eine solche Investition aber umso sinnvoller. Durch das systematische Vorgehen verbessern sie die Arbeitsabläufe und Ressourcenverschwendungsrisiken werden bewusst.
4. Was ist, wenn mein Arbeitgeber zu gross ist und die wichtigsten Entscheidungen sowieso nicht in der Schweiz getroffen werden?
Dies kann problematisch sein, muss aber nicht. Was Mitwirkungsrechte anbelangt, hat sich bspw. das Recht in der EU oft schneller entwickelt als in der Schweiz. Wie die Zusammenarbeit zwischen Schweizerischen Arbeitnehmern und europäischen Betriebsräten organisiert werden kann, erfahren Sie bspw. hier.
5. Was ist, wenn mein Arbeitgeber weder zu klein noch zu gross ist, aber von Corporate Social Responsibility nichts hören will?
Auf unserer Jobplattform www.good-jobs.info finden Sie dann wohl einen besseren Arbeitgeber. Dort können Sie die Stellenangebote nach umweltfreundlichen Unternehmen filtern.
6. Seien wir ehrlich: Läuft das Ganze nicht einfach darauf hinaus, dass Massnahmen und Produkte, die schon immer bestanden haben, umbenannt werden, damit der Arbeitgeber behaupten kann, er sei grün, ohne wirklich etwas zu ändern (sogenanntes Greenwashing)?
Man wird es erst wissen, wenn man es probiert hat. Allerdings ist ein bisschen Greenwashing in einem ersten Schritt nicht unbedingt schlecht: Je mehr Unternehmen sich öffentlich zum Umweltschutz bekennen, desto schwieriger wird es zu behaupten, dass Ökologie und wirtschaftliche Entwicklung nicht vereinbar sind. Wenn darüber hinaus feststeht, dass nicht nur CEOs und Marketingabteilungen hinter der Bewegung stehen, sondern auch die Mitarbeitenden engagiert sind, haben klimaprogressive Politiker bessere Karten in der Hand.
In einem zweiten Schritt muss selbstverständlich sichergestellt werden, dass die behaupteten Bestrebungen kritisch hinterfragt werden und eine echte Umweltpolitik konsequent umgesetzt wird. In dieser Phase geht es auch darum, die Unternehmen an die Ziele, die sie selber – teilweise vielleicht plakativ – kommuniziert haben, zu erinnern.
7. Wie kann ich mehr über dieses Thema erfahren?
Zusammen mit swisscleantech organisieren wir seit Januar 2020 Schulungen zur Nachhaltigkeit, und wie sich Mitarbeiter im eigenen Betrieb dafür engagieren können. Der nächste Kurs findet am 12. März statt. Melden Sie sich an!
Besonders spannend ist, dass swisscleantech ein Wirtschaftsverband ist, der sehr viele Arbeitgeber vertritt. Kooperationsmöglichkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in diesem Bereich werden somit nicht nur aus einer theoretischen Perspektive dargestellt. Wir versuchen, unseren Fokus auf reale Erfolgsgeschichten zu setzen. Gleichzeitig wird ein Austausch zwischen den Teilnehmenden gefördert, sowohl was die konkreten Möglichkeiten als auch die praktischen Schwierigkeiten betrifft.
In diesen Kursen werden übrigens nicht nur die wirtschaftlichen und ökologischen, sondern auch die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit beleuchtet. Schliesslich sind ja weder Umweltschutz noch Wirtschaftswachstum in sich abgeschlossene Ziele. Am Ende steht der Mensch.
Bonusfrage: Jetzt bin ich neugierig… Ist saisonales Bio-Obst aus Peru besser als nicht-saisonales, konventionelles Obst aus der Schweiz?
Das weiss ich auch nicht.
Pierre Derivaz, Rechtsanwalt Angestellte Schweiz