So gelingt Professionalisierung in NGO
Sein beruflicher Werdegang, geprägt von Visionen und ausgeprägtem Fachwissen, bietet wertvolle Einblicke in die Entwicklung und die Herausforderungen dieses Sektors. Im Interview nimmt uns Prof. Dr. Markus Gmür zu den Ursprüngen des VMI und erzählt uns von den Zukunftsaussichten des Instituts.
Ein spannender Einblick - lass dich inspirieren!
1. Wie beschreiben Sie das VMI jemanden, der es nicht kennt?
Es ist ein selbstständig agierendes Forschungs- und Weiterbildungsinstitut der Universität Freiburg, gegründet 1976. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Professionalisierung im Management von privaten Nonprofit-Organisationen zu unterstützen. Dies durch eine anwendungsinteressierte Grundlagenforschung, ein breites Spektrum an Weiterbildungsangeboten, die Begleitung von Organisationen und die Organisation einer Interessengemeinschaft von NPO-Manager*innen.
2. Wie entstand die Idee, ein solches Institut zu gründen?
Der Gründungsmythos geht etwa so: Penetrante Klagen in der Verbands- und Genossenschaftspraxis über das Unvermögen ihrer Chefs (Chefinnen waren in den 1970er-Jahren noch so selten, dass sie sich den Schuh nicht anziehen müssen), vernünftig mit Geld, gemeinnützig motiviertem Engagement und anderen Ressourcen umzugehen, brachten die Gründer dazu, das Projekt einer zeitgemässen Managementlehre für eben diese Organisationen anzugehen. Das damals bereits hochgerühmte St. Galler Management-Modell erschien prinzipiell als Rollenvorbild, aber das Freiburger Management-Modell sollte den Besonderheiten der Verbände und weiterer Non-Profit-Organisationen Rechnung tragen. Um diese Modellvision herum entwickelten sich dann Schritt für Schritt diverse Aktivitäten, die noch bis heute massgebend für die Arbeit des Instituts und seines weitläufigen Kompetenznetzwerks sind.
3. Gibt es ein typisches Profil der Studierenden am VMI?
Eine Besonderheit unserer Teilnehmerschaft ist, dass sie so vielfältig wie der ganze Sektor der Non-Profit-Organisationen ist. Es ist uns gelungen, dass Studierende aus Wirtschafts- und Berufsverbänden, Gewerkschaften und Fachgesellschaften, Gesundheitsligen und sozialen Hilfswerken, Wohnbaugenossenschaften und Umweltverbänden, Sport- und Kulturvereinen, Kirchen und Bildungsinstitutionen, 25- und 55-Jährige, Führungs- und Nachwuchskräfte, Haupt- und Ehrenamtliche, politisch Konservative und Progressive, Teilnehmende aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz miteinander lernen und diskutieren und gerade aus dieser Vielfalt besonderen Nutzen ziehen.
4. Das VMI ist schweizweit einzigartig. Die Nachfrage nach dieser Art von Leistungen muss gross sein, oder nicht?
In den 1980er- und 90er-Jahren konnte man ein rasch wachsendes Interesse nach dieser Art der Professionalisierung feststellen, und das VMI hatte dabei immer wieder und in mehrerlei Hinsicht ein Pionierrolle eingenommen. In der Zwischenzeit sind viele Bildungsträger aller Stufen nachgezogen und haben eigene Angebote lanciert. Der Wettbewerb hat stark zugenommen und die Marktlage ist unübersichtlich geworden. Die Nachfrage wächst nicht mehr wesentlich, aber es gibt zahlreiche Angebote, von denen sich immer mehr auf Dauer nicht mehr durchsetzen werden.
Markus Gmür – sein beruflicher Werdegang
„Anders als viele Studienkolleg*innen wollte ich nach meinem BWL-Studium in St. Gallen einen akademischen Weg einschlagen“, sagt er. Danach gelangte er auf Umwegen an die Universität Freiburg und wurde 2008 als Professor für NPO-Management berufen. So gelangte er an die Spitze des Instituts für Verbands-, Stiftungs- und Genossenschafts-Management.
5. Welche Verbindungen haben Sie zur Universität Freiburg? Gehen Sie bei bestimmten Mandaten eine Partnerschaft mit der Universität ein?
Das VMI ist integraler Teil der Universität und ihrer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät! Als Professor und Lehrstuhlinhaber erfülle ich staatlich finanzierte Aufgaben in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung. Im Rahmen meines Pflichtenhefts übernehme ich im VMI Leitungsaufgaben, die ich mit meinem Ko-Direktor Dr. Philipp Erpf ausübe, und ich bin in der Weiterbildung und der Auftragsforschung für das Institut tätig. Das VMI erscheint im Aussenauftritt autonom, aber es gibt keine Trennung von der Universität.
6. Sie legen Wert auf Verbindungen zum Vereins- und Gewerkschaftswesen.
Ja, Berufsverbände und Gewerkschaften sind ein wichtiger Teilbereich des Non-Profit-Sektors. Von diesen Organisationen kommen traditionell viele Teilnehmende in unsere Lehrgänge. Das Freiburger Management-Modell erhebt den Anspruch, dass es als Referenzmodell auch für das Management von Gewerkschaften taugt, auch wenn deren Vertreter*innen oftmals die Überzeugung mitbringen, ihr Organisationstyp sei ein ganz spezieller und eigentlich nicht unvergleichlich.
7. Und Ihr Freiburger Management-Modell kommt auch im Ausland an. Genau, seit zwei Jahren arbeiten wir intensiv mit der University of Labour in Frankfurt am Main, die aus der traditionsreichen Europäischen Akademie für Arbeit hervorgegangen ist, an der Entwicklung eines Weiterbildungsangebots für leitende Gewerkschafter*innen. 2023 haben wir in Zusammenarbeit mit der IG Metall ein erstes Angebot erfolgreich durchgeführt. Parallel dazu arbeiten wir intensiv mit der österreichischen Angestelltengewerkschaft gpa organisationsentwickelnd zusammen, und wir haben auch schon mehrere Projekte von Schweizer Arbeitnehmerorganisationen begleitet. Das „Warum“ stellt sich angesichts der Fülle und Vielfalt der Aktivitäten in diesem Bereich gar nicht.
8. Abschliessend noch eine Frage an unsere Freunde in der Romandie: Gibt es Pläne, demnächst einen französischsprachigen Zweig zu gründen?
Schon die Ansiedlung in Fribourg bringt es mit sich, dass wir mit unseren Aktivitäten eigentlich in der Romandie ähnlich stark verbreitet sein sollten, wie wir es heute im gesamten deutschsprachigen Raum sind. Es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder einmal Anläufe zu eigenen französischsprachigen Angeboten, mit denen wir uns aber nie auf Dauer etablieren konnten. Vielleicht steckt im Freiburger Management-Modell eben doch zu viel „typisch deutsch(schweizerisch)es Denken“ drin, als dass die französischsprachige Welt sich darin ausreichend gespiegelt findet, und Fribourg liegt in der kognitiven Landkarten der Bevölkerung um den Genfer See wohl allzu weit in der Peripherie.
Wir haben immer wieder Teilnehmende aus dem französischsprachigen Raum, die genau die „fremde“ Spezifität des Freiburger Ansatzes für das Management als Inspirationsquelle und Ordnungsrahmens schätzen, aber zu einer grösser angelegten Markterweiterung haben wir uns bislang über die in 2015 „Le modèle fribourgeois de management des organisations à but non lucratif“ veröffentlichte französische Übersetzung des Modellbands hinaus nicht entschliessen können. In anderen Kulturkreisen scheint uns das leichter zu gelingen: Am 14. Mai 2024 wird die koreanische Übersetzung des Freiburger Management-Modells an einem Symposium in Seoul präsentiert werden, und die Weiterbildungsangebote, die wir zusammen mit dem SVMIK, unserer dortigen Kooperationspartnerin seit zwei Jahren etabliert haben, entwickeln sich gut.
Das Interview mit Professor Gmür ermöglichte es uns,
durch das Prisma des VMI tief in das Herz des Managements von Non-Profit-Organisationen einzutauchen. Von seinen bescheidenen Anfängen bis zu seinem heutigen Einfluss verkörpert das Institut ein tiefes Engagement für die Professionalisierung des Sektors und die Förderung eines effektiven, umsichtigen und nachhaltigen Managements. Während das VMI weiterhin neue Wege beschreitet und internationale Verbindungen knüpft, bleibt es ein Hauptakteur in Forschung und Ausbildung und gestaltet so die Zukunft von Non-Profit-Organisationenim gesamten deutschsprachigen Raum.
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