Die starke Frau in einer Männerdomäne


Zur Bodenbelagsbranche gehören lange Arbeitstage und hohe Unfallzahlen. In diesem rauen Umfeld ist die 17-jährige Simona Schüpbach zu einer wahren Meisterin ihres Fachs gereift.

Über 1000 junge Berufstalente haben sich bei den diesjährigen Swiss Skills in verschiedenen Berufsgattungen gemessen. Bei der grossen Siegerehrung in Bern durfte sich auch Simona Schüpbach von Bundesrat Guy Parmelin zur Goldmedaille gratulieren lassen. Die junge Bernerin wurde zur besten Parkett-Bodenlegerin gekürt. «Es gab so viele positive Reaktionen nach dem Sieg. Dies bedeutet mir unglaublich viel.» Das Niveau des Wettkampfs empfand Simona Schüpbach als sehr hoch. Auch ihre männlichen Konkurrenten arbeiteten präzise und flink. Kein Wunder, denn die Teilnehmenden werden aufgrund überragender Leistungen in den überbetrieblichen Kursen zu den Swiss Skills eingeladen.

 

 

Baustelle statt Bürolehre

Für die Bodenlegerin war schon früh klar, dass sie mit den Händen arbeiten möchte. In der Schule liebte sie den Werkunterricht, in der Freizeit bastelte sie viel. «Den ganzen Tag vor einem Bildschirm zu sitzen, dies ist für mich unvorstellbar, darum wurde ich Bodenlegerin.» Auf der Baustelle ist die 17-jährige meist die einzige Frau, doch sie packt genauso kräftig mit an wie ihre männlichen Kollegen. Sie hebt schwere Arbeitsmaschinen aus dem Fahrzeug und schleppt kiloweise Parkett die Treppenhäuser hoch. «Ich erwarte keine Sonderbehandlung. Das Materialtragen gehört nun mal zu meinem Beruf und das ist für mich in Ordnung so.»

Die hohen Unfallzahlen der Branche

Ihrem Körper kann die 17-jährige noch einiges abverlangen. Mit den Händen packt sie auch in ihrer Freizeit an. Sie ist Mitglied beim Verein  «Berner Schwingerinnen». Aller körperlichen Vorzüge zum Trotz, auch die Jungschwingerin ist nicht vor den Berufsrisiken der Bodenleger*innen gefeit. «Es ist mir bewusst, dass eine Verletzung mit dem Japanmesser bös enden kann - im schlimmsten Fall verliert man einen Finger.» Die Unfallzahlen in der Bodenbelagsbranche sind im Vergleich zu anderen Handwerksberufen hoch. Die Anzahl schwerer Unfälle ist rund doppelt so hoch wie bei den Schreiner*innen. Simona Schüpbach ist darum dankbar, dass Ihr Lehrbetrieb die Sicherheitsstandards sehr exakt nimmt und sich an die  SUVA-Normen hält. «Ich habe zum Glück noch nie einen schweren Unfall miterlebt und so soll es natürlich auch bleiben.» Bei der Kühni AG dürfen alle Bodenleger*innen nur mit Sicherheitsschuhen, Schutzbrillen, Gehörschutz und Knieschonern auf die Baustelle. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt der kürzlich ausgehandelte GAV Boden, den der Bundesrat im September 2025 für allgemeinverbindlich erklärt hat. Wir haben diesen Vertrag zusammen mit dem Arbeitgeberverband BodenSchweiz ausgehandelt. Die Arbeitssicherheit ist im ersten GAV der Bodenbelagsbranche ein wichtiger Pfeiler.

 

 

 

Die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit

Die Arbeitstage von Simona Schüpbach sind intensiv. Morgens klingelt der Wecker um 5.00 Uhr. Mit dem Motorrad fährt sie anschliessend zu ihrem Lehrbetrieb nach Ramsei im Emmental. Der Arbeitsradius der Bodenlegerin ist gross. Sie war schon auf Baustellen beim Zürcher Hauptbahnhof und in der Westschweiz tätig. Auch nach einem langen und harten Arbeitstag geht Simona Schüpbach mit Enthusiasmus ins Schwingtraining. «Diesen Sport liebe ich. Darauf verzichten wegen der Arbeit? Unvorstellbar», sagt sie. Die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit ist in Handwerksberufen teils schwierig. In der Bodenbelagsbranche waren bis vor kurzem 45-Stunden-Wochen nicht unüblich. Dank des GAV Boden liegt die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit nun bei 42,5 Stunden. Dies schützt auch andere Bodenleger*innen vor Ausbeutung durch weniger rücksichtsvolle Arbeitgeber.

 

Die rosige Zukunft

Simona Schüpbach sieht sich noch lange auf der Baustelle arbeiten. «Am schönsten an meinem Beruf ist, dass ich im Team etwas erschaffe und am Ende des Tages ein greifbares Ergebnis vorliegt.» Sie hat einen fairen Lehrbetrieb, der Arbeitssicherheit ernst nimmt. Alle Bodenleger*innen der Kühni AG sind dem GAV VSSM unterstellt, da das Unternehmen im Holzbau tätig ist. Entsprechend sind die Löhne über dem Branchenschnitt. Mit dem GAV Boden müsste Simona Schüpbach auch im Falle eines Stellenwechsels keine Dumpinglöhne mehr fürchten. Sie kann sich darum vorstellen, eine Zweitlehre in der Fachrichtung Textil zu absolvieren, um sich zusätzlich auf Teppich und Linoleum zu spezialisieren. Dass sie das notwendige Talent hat, um kommende Herausforderungen mit Bravour zu meistern, hat sie bei den Swiss Skills bewiesen. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass Freude am Handwerk und faire Arbeitsbedingungen die ideale Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Zukunft bilden.

 

 

 

 

Autor*in

Christian  Vogt

Christian Vogt

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