«Mentoringprogramme und Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle»
Was sind die grössten Hindernisse, die Frauen davon abhalten, technische Berufe zu ergreifen, und wie können diese überwunden werden?
Die Unterrepräsentation von Frauen in technischen Berufen hat unterschiedliche Ursachen. Einerseits mangelt es an weiblichen Vorbildern, wodurch Mädchen sich seltener in diesen Rollen sehen und wiedererkennen. Soziale Dynamiken in jungen Jahren verstärken traditionelle Berufswahlen, da Mädchen oft ähnliche Wege wie ihre Freundinnen einschlagen möchten. Familiäre Prägung suggeriert oft, dass Technik "Männersache" ist. In Schulen fehlt daher auch ein geschlechtergerechter Unterricht in MINT-Fächern.
Frauen, die trotzdem technische Karrieren verfolgen, sehen sich mit Vorurteilen und eingeschränkten Chancen konfrontiert. Um diese Hürden zu überwinden, braucht es einen umfassenden Ansatz: von der Förderung weiblicher Vorbilder über Sensibilisierung in Familien und Schulen bis hin zu Veränderungen in Unternehmen mit dem Ziel eine Umgebung zu schaffen, in der Frauen in Tech zur Normalität wird.
Welche Rolle spielen Mentoringprogramme und Netzwerke, um Frauen in technischen Berufen zu fördern?
Mentoringprogramme und Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Frauen in technischen Berufen. Sorgfältig kuratierte Mentoringprogramme mit klaren Zielsetzungen sind besonders effektiv. Sie bieten Teilnehmerinnen die Möglichkeit, ihre eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse besser zu analysieren und zu verstehen. Erfahrene Mentorinnen und Mentoren können verschiedene mögliche Karrierewege aufzeigen und wertvolle Einblicke in die Branche geben.
Netzwerke sind von enormer Bedeutung, da spannende Jobs in der Techbranche nicht öffentlich ausgeschrieben werden, sondern über persönliche Kontakte vergeben werden. Sie sind jedoch nicht nur bei der aktiven Jobsuche hilfreich. Auch im Berufsalltag ermöglichen sie einen wertvollen Wissensaustausch und die Möglichkeit, von den Erfahrungen anderer zu profitieren. Zudem bieten Netzwerke die Chance, mehr über verschiedene Positionen und Spezialisierungen in der Technikbranche zu erfahren, was die berufliche Orientierung und Weiterentwicklung unterstützten.
Was ist die Aufgabe von Tech Face und Initiativen wie «#wetechtogether»?
Tech Face konzentriert sich auf die Vernetzung verschiedener Talente in der Tech-Branche und strebt nach der Schaffung von Gleichberechtigung. Die Initiative adressiert zwei Hauptprobleme: eine wachsende Talentlücke und einen Mangel an Diversität. Durch ihren innovativen Ansatz versucht Tech Face, beide Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen. Sie bietet eine Plattform, die Talente verschiedener Hintergründe zusammenbringt und so nicht nur den Fachkräftemangel lindert, sondern auch die Diversität in der Branche fördert.
Die Initiative «#wetechtogether» hingegen positioniert sich als die grösste Konferenz für Diversität im Tech-Bereich. Ihr Ziel ist es, über die reine Vernetzung hinauszugehen. Sie bringt nicht nur diverse Talente untereinander und mit Unternehmen in Kontakt, sondern legt auch einen starken Fokus darauf, aktuelle Themen und Trends in der Tech-Branche zu beleuchten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Förderung und Sichtbarmachung von Rollenvorbildern. Durch die Präsentation erfolgreicher und inspirierender Persönlichkeiten aus unterrepräsentierten Gruppen möchte «#wetechtogether» den Weg für mehr Diversität und Inklusion in der Tech-Welt ebnen.
Wie beeinflusst der geringe Frauenanteil in der Technik die Entwicklung von Technologien, Produkten und Innovationen?
Zunächst führt die fehlende Perspektive von Frauen oder anderen diversen Gruppen oft zu einseitigen Produktentwicklungen. Produkte, welche von homogenen Teams erstellt werden, spiegeln häufig vorwiegend die Erfahrungen und Bedürfnisse dieser Gruppe wider. Dies kann dazu führen, dass wichtige Aspekte übersehen werden, die für andere Nutzende von Bedeutung sind. Beispielsweise werden bestimmte Funktionen oder Design-Elemente, die für andere besonders relevant oder attraktiv wären, nicht berücksichtigt.
Die konstruktive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gruppen ist ein wesentlicher Treiber für Innovation. Diverse Teams, die verschiedene Perspektiven einbringen, sind besser in der Lage, kreative Lösungen zu entwickeln und neue Märkte zu erschliessen. Wenn Frauen gleichberechtigt an Entwicklungsprozessen beteiligt sind, können sie einzigartige Einsichten und Ideen einbringen, die zu innovativeren und inklusiveren Produkten führen. Dies kann nicht nur die Nutzungsfahrung für alle verbessern, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die ethische Anwendung von Technologien. Frauen bringen oft andere ethische Überlegungen und Prioritäten in den Entwicklungsprozess ein. Ihre Beteiligung kann dazu beitragen, dass ethische Fragen frühzeitig erkannt und adressiert werden. Dies ist besonders wichtig in Bereichen wie künstliche Intelligenz, wo Algorithmen unbeabsichtigte Voreingenommenheiten übernehmen können, wenn sie nicht von diversen Teams entwickelt werden.
Welche Strategien können Unternehmen einsetzen, um mehr Frauen für technische Führungspositionen zu gewinnen?
Zunächst ist es wichtig, dass Unternehmen ihre aktuelle Situation analysieren. Sie sollten verstehen, wo sie in Bezug auf Geschlechterdiversität in Führungspositionen stehen, welche Massnahmen bereits ergriffen wurden und welche Ergebnisse diese gebracht haben. Darauf aufbauend können sie realistische Ziele für die Zukunft definieren. Es lohnt sich dafür Personen mit dem fachspezifischen Wissen hinzuzuziehen.
Oft ist eine Anpassung des Rekrutierungsprozesses notwendig. Dies beginnt bei der Formulierung von Stellenausschreibungen. Diese sollten inklusiv gestaltet sein und Frauen explizit ansprechen. Wichtig ist auch, die Stellenanzeigen auf spezifischen Plattformen und in Foren zu platzieren, die von Frauen in der Technikbranche frequentiert werden.
Unternehmen sollten frühzeitig damit beginnen, ein Netzwerk aufzubauen, das gezielt Kontakte zu qualifizierten Frauen im technischen Bereich pflegt. Dies kann durch Teilnahme an relevanten Veranstaltungen, Kooperationen mit Universitäten oder die Unterstützung von Frauennetzwerken in der Technikbranche geschehen.
Die Förderung interner Talente ist ebenso wichtig. Unternehmen sollten ein psychologisch sicheres und unterstützendes Umfeld schaffen, in dem Frauen sich entwickeln und aufsteigen können. Dies kann durch Mentoring-Programme, Führungskräfteentwicklung und flexible Arbeitsmodelle unterstützt werden.
Schliesslich spielt die Sichtbarkeit von Vorbildern eine entscheidende Rolle. Unternehmen sollten erfolgreiche Frauen in technischen Führungspositionen aktiv hervorheben und ihre Geschichten teilen. Dies inspiriert nicht nur potenzielle Bewerberinnen, sondern motiviert auch bereits im Unternehmen tätige Frauen, Führungsrollen anzustreben.
Gibt es spezifische Herausforderungen, denen Frauen in technischen Berufen im Vergleich zu anderen Branchen begegnen?
Frauen müssen sich in technischen Berufen häufig erst beweisen, bevor sie Anerkennung erhalten. Während Männer oft aufgrund ihres Potenzials eingestellt oder befördert werden, wird von Frauen tendenziell erwartet, ihre Fähigkeiten bereits umfassend unter Beweis gestellt zu haben. Dies kann den Karrierefortschritt verlangsamen und zu zusätzlichem Druck führen.
Genderstereotypische Vorurteile sind in technischen Berufen besonders hartnäckig. Das weit verbreitete Klischee, dass Frauen weniger Talent für Mathematik hätten, kann sowohl das Selbstvertrauen von Frauen untergraben als auch die Wahrnehmung ihrer Kompetenzen durch Kollegen und Vorgesetzte negativ beeinflussen. Solche Vorurteile können subtil sein, haben aber oft spürbare Auswirkungen auf Arbeitsatmosphäre und Karrierechancen.
Herzlichen Dank, Priska!
Siehe mehr unter: Build your best career in tech | TechFace.ch | we connect you
Mehr über Priska: Priska hat über 15 Jahre in der Finanzbranche gearbeitet, wo sie mit grossem Erfolg nationale und internationale IT-Projekte für Grossbanken leitete. Sie begann ihre Karriere in der IT-Welt als Quereinsteigerin im Bereich Software Engineering.
Ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen ermöglichten es ihr, nicht nur für internationale Projekte zu arbeiten, sondern auch für eine Schweizer Bank in Hong Kong verschiedene Aufgaben im Projekt- und Produktmanagement zu übernehmen. 2016 verliess sie die Finanzbranche, um sich auf den Aufbau ihres eigenen Unternehmens zu konzentrieren. Als Geschäftsführerin von TechFace nutzt Priska ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Leidenschaft, um Frauen zu unterstützen, die eine zielgerichtete Karriere in der Technologiebranche anstreben, und sie mit Unternehmen zusammenzubringen, die sich für Vielfalt und Inklusion einsetzen. Darüber hinaus half sie beim Aufbau von Girls in Tech Switzerland, einer globalen Non-Profit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Frauen in der Technologiebranche zu gewinnen und zu halten. Sie kennt die Schwierigkeiten und die Stärke, die man als Frau in der Technologiebranche braucht, und möchte die nächste Generation dabei unterstützen, ihre Träume und Karriereziele zu erreichen.