Rassismus im Büroalltag: Das kannst du tun
Es sind Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen, Menschen, die neben uns im Bus oder an der Tramhaltestelle stehen: 2022 gaben 17% der Wohnbevölkerung in den letzten fünf Jahren rassistische Diskriminierung erfahren zu haben. Das ist beinahe jede sechste Person, die in der Schweiz lebt oder 1,2 Millionen Menschen zwischen 15 und 88 Jahren. Grund für die Diskriminierung war ihre Nationalität, Hautfarbe oder ein anderes körperliches Merkmal, die Religion oder die ethnische Herkunft – oder vielleicht auch nur das, was von anderen als solches interpretiert worden war.
Die Zahlen stammen aus einem Monitoring der Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB. Die Fachstelle will Rassismus möglichst sichtbar machen und geht deshalb alle 2 Jahre der Frage nach, wer in der Schweiz von Rassismus betroffen ist.
Rassismus und rassistische Diskriminierung
Rassismus bezeichnet eine Ideologie, die Menschen nicht als Individuen behandelt, sondern als Mitglieder pseudo-natürlicher Gruppen. Die Zuordnung zu einer solchen Gruppe geschieht, weil sich eine Person selbst einer bestimmten ethnischen, nationalen oder religiösen Gruppe zugehörig fühlt oder dies von anderen, zum Beispiel aufgrund ihres Äusseren, so vermutet wird. Rassismus ist nicht neutral, sondern wertet. Mit der Zuordnung einer Person zu einer Gruppe ist eine Hierarchie und mit der Hierarchie eine Abwertung und Unterordnung verbunden – die andere Person ist weniger wert als man selbst.
Was ist rassistische Diskriminierung?
Wenn Rassismus sich in entsprechendem Verhalten äussert, kommt es zu rassistischer Diskriminierung. Sie bezeichnet jede Handlung oder Praxis, die Menschen aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener äusserer Merkmale, ethnischer Herkunft, kultureller Eigenschaften und/oder religiöser Zugehörigkeit ungerechtfertigt benachteiligt, sie demütigt, bedroht oder sogar an Leib und Leben gefährdet. Rassistische Diskriminierung muss nicht zwingend ideologisch begründet sein.
Es gibt keinen Lebensbereich ohne rassistische Diskriminierung. Neben dem Öffentlicher Raum und der Schule werden Menschen am meisten im Arbeitskontext rassistisch diskriminiert. 69% geben an, dort in den letzten fünf Jahren rassistische Diskriminierung erfahren zu haben.
Am meisten Rassismus im Arbeitskontext
Im Arbeitsumfeld betrifft es die Jobsuche: Obwohl es laut dem Diskriminierungsgesetz nicht erlaubt ist, jemanden aufgrund seiner Herkunft nicht einzustellen oder weniger Lohn auszuzahlen, geschieht es.
Es betrifft auch den Büroalltag: Von Beleidigungen und Spässen bis zu Vorverurteilungen. Als Beispiel: Die dunkelhäutige Person wird nicht als Chef*in wahrgenommen und stattdessen aufgefordert, den Kaffee zu servieren. Oder sie wird nicht für eine Beförderung vorgeschlagen.
Rassismus am Arbeitsplatz – ein Fallbeispiel
So gehst du gegen Rassismus vor
Was können Mitarbeitende tun, wenn in ihrem Büroalltag rassistische Sprüche fallen oder sie Diskriminierung mitbekommen? «Es gibt viele Handlungsmöglichkeiten. Nichts machen ist keine Option», sagt Dr. Giulia Reimann, Stv. Leiterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR. «Nach Möglichkeit würde ich das Thema direkt ansprechen, aufzeigen, dass man den Spruch oder Witz nicht lustig oder passend fand. So zeige ich Solidarität mit der betroffenen Person.»
Weiter könne das HR oder ein*e Vorgesetzte*r dazu gezogen werden. So kann ein direkter Konflikt vermieden werden. Giulia Reimann weist auch auf die kantonalen Beratungsstellen des Beratungsnetzes für Rassismusopfer hin. «Die Beratungsstellen können helfen, wenn jemand einen Brief ans HR oder Vorgesetzte schreiben will oder sie begleiten je nachdem auch an ein Gespräch.»
« Es gibt viele Handlungsmöglichkeiten. Nichts machen ist keine Option.»
Obwohl Menschen rassistische Diskriminierung häufig am Arbeitsplatz erleben, zu rechtlichen Konsequenzen kommt es selten. «Am Arbeitsplatz sind Menschen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Das macht es komplizierter. Viele haben Angst, den Job zu verlieren und sagen deshalb nichts», sagt Giulia Reimann. «Dazu kommt: Es ist schwierig, dagegen rechtlich vorzugehen.» Ein arbeitsrechtliches Verfahren sei ein grosser Aufwand, auch finanziell, und die Beweislast liege bei der betroffenen Person. Im Strafrecht wird für die Erfüllung der Strafnorm gegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass (Art. 261bis StGB) Öffentlichkeit vorausgesetzt. Oftmals fallen aber diskriminierende Aussagen im kleinen Team-Kontext. Es erstaunt daher nicht, dass von über 1000 Strafentscheiden zu Art. 261bis StGB seit 1995 nur 28 die Arbeitswelt betreffen.
Was macht die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus?
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus ist eine ausserparlamentarische, unabhängige Kommission. Sie wurde vom Bundesrat 1995 nach der Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung RDK und der Annahme der Rassismusstrafnorm Art. 261 bis des Strafgesetzbuches eingesetzt.
Die EKR besteht aus 15 ausgewiesenen Expert*innen zu Fragen des Rassismus sowie einem dem Generalsekretariat des Innendepartements angegliederten Sekretariat.
Laut Mandat des Bundesrats vom 23. August 1995 «befasst sich die EKR mit Rassendiskriminierung, fördert eine bessere Verständigung zwischen Personen unterschiedlicher Rasse, Hautfarbe, nationaler und ethnischer Herkunft, Religion, bekämpft jegliche Form von direkter und indirekter Rassendiskriminierung und schenkt einer wirksamen Prävention besondere Beachtung».
Quelle: EKR
Dass das Arbeitsumfeld ein Ort ist, an dem es besonders oft zu rassistischen Vorfällen kommt, erklärt sich Giulia Reimann so: «Wir verbringen viel Zeit an unserem Arbeitsort und es kommen viele verschiedene Menschen zusammen. Trotzdem sollten sich alle bewusst sein, dass sie im Büro sind und nicht am Stammtisch. Aussagen können auch ohne Diskriminierungsabsicht verletzen.»