«3. Säule, so früh wie möglich»

Helena Sievi ist Kundenberaterin und Leiterin der Abteilung für berufliche Vorsorge am Standort Zürich bei der Firma Howden. In diesem Interview verrät sie dir Expertentipps, wie du deine Ihre Finanzen durch das Drei-Säulen-System optimieren kannst.

Die berufliche Vorsorge ist immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. Zwischen den Reformen der AHV und der Ablehnung der Anpassung des Gesetzes über die 2. Säule im Jahr 2024 haben junge Menschen manchmal Zweifel an ihrem Recht auf eine Rente in vierzig Jahren. Angestellte Schweiz organisiert regelmässig Schulungen zu diesem Thema und sprach mit einer Expertin auf diesem Gebiet, die betont, wie wichtig gute Informationen und frühzeitige Aufmerksamkeit sind, um der Zukunft gelassen entgegensehen zu können.

Helena Sievi, Sie geben regelmässig Kurse zum Thema «Berufliche Vorsorge» in Unternehmen. Sind die Leute im Allgemeinen ausreichend informiert?

Bei unseren Vorträgen für Mitarbeiter*innen ist es immer wieder überraschend, dass das Wissen der versicherten Personen über die Berufliche Vorsorge eher begrenzt ist, sei es über die versicherten Leistungen oder die Möglichkeiten im Rahmen der 2. Säule, wie z.B. Einkäufe. Dies ist insofern erstaunlich, als dass für die meisten versicherten Personen das in der zweiten Säule angesammelte Kapital den grössten Teil ihres Altersguthabens darstellt. Oftmals überschätzen die Versicherten die Leistungen, die sie im Ruhestand erhalten werden.

«Schon im Alter von 45 - 50 sollte man sich Gedanken über das Einkommen nach der Pensionierung zu machen, im Alter von 60 sind die Weichen gestellt.»

Helena Sievi BVG Expertin mit internationaler Erfahrung, Howden

Was sind die häufigsten Fragen, die gestellt werden, wenn Sie einen Kurs zum Thema Vorsorge geben?

Die Höhe der Altersrente ist eine prominente Frage. Damit hängen die Parameter Umwandlungssatz, Verzinsung und Altersgutschriften zusammen. Immer häufiger stellen sich die Fragen zum Bezug von Kapital, um z. B. ein Haus zu kaufen oder sich selbstständig zu machen, oder zur Aufteilung von Guthaben im Falle einer Scheidung. Die internationale Mobilität zeigt sich auch in der beruflichen Vorsorge mit Fragen wie die Sozialversicherungspflicht oder Bezugsmöglichkeiten der 2. Säule bei einem Wegzug im Ausland

Personen, die zeitweise in der Schweiz gearbeitet haben, haben oftmals Beitragslücken, die sie mittels Einkäufen füllen können. Falls Altersguthaben „verloren“ gegangen sind, kann die Schweizerische Zentralstelle für die zweite Säule kontaktiert werden. Die Institution in Bern kümmert sich darum, dass nachrichtenlose Vermögenswerte gefunden werden. Es gibt keine zeitliche Begrenzung, um einen Antrag zu stellen. Eine zentrale Frage betrifft die Vorsorgeausweise, wie die vielen Zahlen zu lesen und zu verstehen sind.

Kann man also sagen, dass die Vorsorgeausweise zu kompliziert sind?

Die Vorsorgeausweise sind gegliedert in allgemeine Informationen wie Eintritt in die Firma, Geburtsdatum, Zivilstand und Lohn. Es lohnt sich, diese Angaben zu überprüfen. Weiter zentrale Punkte auf dem Vorsorgeausweis sind das vorhandene Altersguthaben, die auf das Schlussalter projizierten Altersleistungen, die Risikoleistungen sowie deren Finanzierung.

Es ist zu beachten, dass die Altersleistungen mittels eines sogenannten Projektionszinses auf das Schlussalter berechnet werden. Dieser Projektionszins ist ein von der Vorsorgeeinrichtung langfristig erwarteter, aber nicht garantierter Zins. Die auf das Schlussalter hochgerechnete Werte sind also mit einer Prise Vorsicht zu geniessen.

Wie kann man die Begriffe Umwandlungssatz und Koordinationssatz einfach zusammenfassen?

Jedes Jahr zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen wie im Vorsorgeplan definiert, einen Prozentsatz des versicherten Lohns in die Vorsorge ein. Diese sogenannten jährlichen Altersgutschriften werden verzinst. Im Schlussalter steht ein Kapital zu Verfügung Alterskapital wird mithilfe des Umwandlungssatzes in eine lebenslange Altersrente umgerechnet. So bedeutet ein Umwandlungssatz von 6 %, dass ein Alterskapital von 100.000 CHF zu einer lebenslangen Altersrente von 6.000 CHF pro Jahr berechtigt.

Gemäss BVG-Gesetz wird vom gemeldeten Salär der Koordinationssatz abgezogen, da gewisse Lohnteile schon in der 1. Säule versichert sind. Vom so berechneten versicherten Salär werden die jährlichen Altersgutschriften ermittelt.

Der Koordinationsabzug muss im Vorsorgeplan nicht zwingend vorgesehen sein. Es ist möglich, bessere Leistungen zu versichern als im Gesetz vorgesehen sind.

Das Berufliche Vorsorge wird in der Politik viel diskutiert, aber die bisherigen erfolgreichen Revisionen betreffen nur die AHV. Was ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Wir bei Howden setzen auf ein starkes Drei-Säulen-Prinzip.

Die AHV ist eine staatliche Sozialversicherung, deren Leistungen bzw. Beiträge für alle Versicherten einheitlich festgelegt sind. Da die Beiträge auf dem unlimitierten Salär berechnet werden, die Leistungen jedoch plafoniert sind, sind Umverteilungen inhärent. Die Reform AHV21 modernisiert die 1. Säule und bringt neu ein einheitliches Referenzalter für Männer und Frauen und mehr Flexibilität beim Rentenbezug. Bei der letzten Abstimmung wurde eine 13. AHV-Rente vom Souverän angenommen, und eine nächste Anpassung ist für die Gleichstellung bei der Witwen- und Witwerrente notwendig. Die Finanzierung dieser letzten zwei Punkte ist aber noch nicht final festgelegt.

Bei der beruflichen Vorsorge ist jeder Arbeitgeber in der Pflicht, zusammen mit den Arbeitnehmern eine Pensionskasse und einen Vorsorgeplan zu definieren. Als Grundlage dient das BVG-Gesetz, das Mindestleistungen vorsieht. Diese Risiko- bzw. Sparleistungen können jedoch im Vorsorgeplan verbessert werden. Dies erhöht die Attraktivität eines Arbeitgebers. Die BVG-Reform sollte die 2. Säule stärken, da die Lebenserwartung steigt und die Zinserträge sinken. Die Reform sah verschiedene Anpassungen vor. Ein Aspekt war der Umwandlungssatz von 6.8%, der für die heutige Lebenserwartung zu hoch ist. Andere Punkte waren eine vereinfachte Abstufung der Altersgutschriften, eine Anpassung des Koordinationsabzuges und eine Verbesserung für Teilzeitbeschäftigte und Geringerverdienende. Die Vorlage war jedoch sehr komplex und wurde vom Souverän abgelehnt.

Die BVG-Reform betraf den gesetzlichen Teil gemäss BVG, das heisst die Saläre zwischen CHF 22’680 und CHF 90‘720 (2025). Im überobligatorischen Bereich sind die Anbieter frei, die Konditionen zu definieren. Infolgedessen verlangen die Anbieter vermehrt überobligatorisches Sparen und können so die zu hohen Leistungen der obligatorischen Vorsorge ausgleichen.

Wenn Sie gute Vorsorgepraktiken in drei Ratschlägen zusammenfassen müssten, welche wären das?

- Informiere dich rechtzeitig und ausführlich.

Leider zeigt sich das Interesse für die Pensionierung oftmals erst relativ nahe an der Pensionierung.  Für jüngere Versicherte ist Thema Altersvorsorge meist nicht vorrangig, denn das Alter ist noch zu weit weg. Inflation, sinkender Umwandlungssatz und Teilzeitarbeit mit tieferen versicherten Löhnen wirken sich auf die zukünftige Altersrente aus. Auch eine vorzeitige Pensionierung will gut überlegt sein, denn in der 1. Säule gilt eine Beitragspflicht bis Schlussalter und die Renten der 1. und der 2. Säule werden bei Vorbezug lebenslang gekürzt.

Howden ist der Überzeugung, dass es wichtig ist, die Mitarbeitenden regelmässig über die drei Säulen zu informieren und auf die zusätzlichen Sparmöglichkeiten in der 2. und der 3. Säule hinzuweisen. Ein Broker kann die Unternehmen mit Mitarbeiterorientierungen gezielt unterstützen.

- Sich von einer neutralen Stelle beraten lassen, eventuell eine zweite Meinung einholen.

Die Sozialversicherungen sind sehr komplex und Entscheidungen haben immer langfristige Auswirkungen. Ein Beispiel ist der Entscheid im Pensionierungsalter betreffend Kapital- oder Rentenbezug. Dieser Entscheid ist sehr individuell und muss aufgrund von verschiedenen Faktoren beurteilt werden wie z.B. Familiensituation, andere Einkommensquellen, Lebenserwartung. 

Es lohnt sich, sich bei einer neutralen Stelle wie einem Broker beraten und die verschiedenen Optionen mit Vor- und Nachteilen aufzeigen zu lassen.

- Frühzeitig in allen drei Säulen sparen

Alle drei Säulen sind relevant für ein ausreichendes Einkommen im Rentenalter. Auch wenn es nicht immer möglich ist, in der privaten Vorsorge, der 3. Säule, den Höchstbetrag von 7 258 CHF pro Jahr einzuzahlen, sorgt eine zusätzliche Säule für mehr Balance. Wir empfehlen daher, alle drei Säulen zu füllen.

Mehr über Howden

Howden ist eine führende globale Versicherungsgruppe, in deren Mittelpunkt die Mitarbeiterbeteiligung steht. Die Gruppe wurde 1994 gegründet und bietet Dienstleistungen und Lösungen in den Bereichen Versicherungsmakler, Rückversicherungsmakler und Underwriting für Kunden an, die von Privatpersonen bis hin zu den grössten multinationalen Unternehmen reichen.

Die Gruppe ist in 55 Ländern Europas, Afrikas, Asiens, des Nahen Ostens, Lateinamerikas, der USA, Australiens und Neuseelands tätig, beschäftigt 19’000 Mitarbeiter und wickelt im Auftrag ihrer Kunden Prämien in Höhe von 42 Milliarden Dollar ab.

In der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein ist das Unternehmen seit 2021 an dreizehn Standorten mit über 200 Mitarbeitenden präsent und aktiv.

Weitere Informationen finden Sie unter https://www.howdengroup.com/ch-de 

Helena Sievi hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Zürich und verfügt über langjährige Erfahrung in der Versicherungsbranche, sowohl in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene. Sie war dreizehn Jahre lang Mandatsleiterin BVG bei einem mittelgrossen Broker in der Innerschweiz und leitet seit November 2023 die Abteilung «Berufliche Vorsorge» am Zürcher Standort von Howden.

Autor*in

Laure Fasel

Laure Fasel

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