So sieht die Arbeit der Zukunft aus

Als Arbeitspsychologin wird Nicole Kopp viel um Prognosen zur Zukunft der Arbeit gebeten. Für Angestellte Schweiz schlüpft sie in die Rolle der Zukunftsforscherin und erzählt, wie wir ihrer Meinung nach im Jahr 2034 arbeiten werden. Ein Gastkommentar.

These 1: Arbeit ist ortsunabhängig, international und hybrid

Spätestens seit der Pandemie ist klar: Wissensarbeit kann von überall stattfinden. Aktuell beobachten wir zwar einen Trend zurück ins Büro, aber das wird sich in den nächsten Jahren massiv ändern: Im Jahr 2034 wird es normal sein, dass in sehr vielen Teams Menschen arbeiten, die sich nur 1-2 Mal pro Jahr vor Ort sehen.

Unternehmen haben schon vor einigen Jahren erkannt, dass der Fachkräftemangel nur gelöst werden kann, wenn die Forderung nach physischer Präsenz aufgegeben wird. Das hat verschiedene Auswirkungen innerhalb des Unternehmens:

  1. Das Personalwesen hat sich auf internationale Fachkräfte eingestellt: Bewerbungsgespräche finden ausschliesslich online statt, das Onboarding ebenfalls und selbst Kündigungen werden digital kommuniziert.
  2. Die Zusammenarbeit findet primär online und hybrid statt. Damit das funktioniert, braucht es sehr viel Training in virtueller Zusammenarbeit. Mitarbeitende werden darin geschult, wie sie virtuell schnell Vertrauen und Bindung aufbauen.
  3. Durch die Ortsunabhängigkeit wird die Arbeit internationaler: Fremdsprachen, insbesondere Englisch, ist wichtiger denn je.

These 2: (Klassische) Führung ist tot, es lebe die Führung

Heute im Jahr 2024 ist es normal, dass Unternehmen sehr flach organisiert sind: Die Pyramiden des 20. Jahrhunderts sind alle verschwunden, weil sie in unserer sehr komplexen und schnelllebigen Welt zu schwerfällig sind.

Im Jahr 2034 ist Führung verteilt: In den meisten Teams übernehmen die Teammitglieder die Führungsaufgaben, wie z.B. das Coachen von Teammitgliedern, das Moderieren von Meetings, das Koordinieren von Aufgaben. Führung ist also nicht mehr an Rollen gebunden, sondern eine grundlegende Funktion in der Organisation, die jede*r übernehmen kann und soll.

Dieser Wandel hin zu verteilter Führung erfordert von den Mitarbeitenden eine Persönlichkeitsentwicklung: Sie müssen sich mit ihren eigenen Kompetenzen und Stärken auseinandersetzen, um zu wissen, welche Führungsaufgaben ihnen am meisten liegen. 2034 werden Entscheidungen gemeinsam oder nach Kompetenzhierarchie gefällt. Diese verteilte Führung dazu, dass Menschen weniger häufig ausbrennen, weil sie jeden Tag die direkte Wirkung ihrer Arbeit sehen.

These 3: Digitalisierung, Automatisierung und KI revolutionieren unseren Arbeitsalltag

«Seit es Arbeit gibt, ist das eigentliche Ziel ihre Abschaffung» schreibt Richard David Precht in seinem Buch «Freiheit für alle.» Und wir waren diesem Ziel noch nie so nahe: Das zweite Maschinenzeitalter mit den selbstlernenden Computern, Robotern, der Digitalisierung und Automatisierung revolutioniert unsere Arbeit.

Ich erwarte keine Massenarbeitslosigkeit, aber die Arbeit wird sich stark verändern. Die Arbeit zwischen Mensch und Maschine wird anders aufgeteilt: Routinetätigkeiten sind aus den Jobs verschwunden. Überall, wo grosse Datenmengen analysiert werden, sind Computer im Einsatz.

Was bleibt da für uns Menschen übrig? Wichtiger denn je werden unsere urmenschlichen Kompetenzen: empathisch und kreativ sein, zusammenarbeiten, gemeinsam Lösungen finden, zusammen angemessene Entscheidungen treffen.  

Durch die Automatisierung wird Zeit für die Menschen frei. Ich gehe davon aus, dass sie nicht mit mehr Arbeit gefüllt wird. Unternehmen werden haben erkannt, dass zu viele Wochenstunden weder zur Effizienz noch zur Gesundheit beitragen. Die 4-Tage-Woche wird sich durchsetzen.

Nicole Kopp

Die Arbeitspsychologin unterstützt als Beraterin und Coach Führungskräfte, Teams und Organisationen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt. Dazu hat sie 2020 die Beratungsfirma GoBeyond mitgegründet.

Autor*in

Nicole  Kopp

Nicole Kopp

Arbeitspsychologin

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