Generative KI reduziert aktuell die Arbeitsnachfrage in stark betroffenen Wissens‑ und IT‑Berufen und erhöht damit die Arbeitslosigkeit, vor allem bei jungen Fachkräften. Die Gesamtbeschäftigung bleibt jedoch positiv, weil die Substitutionseffekte noch nicht durch breitere Produktivitäts‑ und Nachfragegewinne ausgeglichen sind.
Die Analyse
Die Untersuchung nutzt zwei nahezu vollständige Datenquellen vom SECO-Arbeitslosenregister und die Online‑Stelleninserate von x28 AG (fast alle Stellenangebote von 2016 bis 2025).
Berufe werden in drei Teilbereiche eingeteilt – niedrige, mittlere und hohe KI‑Betroffenheit. Die Betroffenheit wird mit zwei unabhängigen Indikatoren gemessen:
- Ein aufgabenbasiertes Modell, das schätzt, wie stark ein Large Language Model (LLM) die Bearbeitungszeit einer Aufgabe reduzieren kann.
- Ein Nutzungs‑Index, der aus Millionen anonymisierter Interaktionen mit Claude.ai ableitet, wie häufig diese Modelle tatsächlich in einem Beruf eingesetzt werden.
Zentrale Befunde
Anstieg der Arbeitslosigkeit in KI‑exponierten Berufen
Seit September 2022 haben sich die Zahlen der registrierten Stellensuchenden in stark betroffenen Berufen um bis zu 27 % stärker erhöht als in wenig betroffenen Berufen. Der Effekt ist besonders stark bei jungen Arbeitnehmenden (unter 50 Jahren) – dort hat sich die Zahl der Stellensuchenden fast verdoppelt.
Rückgang der Stellenangebote
Parallel dazu sind die Online‑Stelleninserate in denselben Berufsgruppen um 30 % bis 40 % gesunken. Im Jahr 2024/2025 liegen die Inserate in stark betroffenen Bereichen bei nur 60 % bis 70 % des Niveaus vor der KI‑Einführung.
Drei Berufsgruppen im Fokus
Die stärksten Effekte zeigen sich in Wissens‑ und IT‑Berufen – Anwendungsprogrammierer*innen, Datenbankentwickler*innen, Softwareentwickler*innen und Web-Multimedia-Entwickler*innen zählen zu den Top‑10‑Betroffenen. Auch Berufe im Bereich Journalismus, Marketing und Personalvermittlung zeigen merkliche Anstiege der Arbeitslosigkeit.
Berufe mit geringer KI‑Betroffenheit (z. B. Reinigungspersonal, Hauswarte, Küchenhilfen) bleiben weitgehend stabil – sowohl die Arbeitslosenzahlen als auch die Stellenangebote verändern sich kaum.
3 % Wachstum der Gesamtbeschäftigung
Trotz der divergierenden Trends ist die Gesamtbeschäftigung in der Schweiz seit Q3 2020 um 7,4 % gewachsen. Das bedeutet, dass die Substitutionseffekte der KI bislang die positiven Produktivitäts‑ und Nachfrageeffekte noch nicht vollständig ausgleichen.
Warum die Effekte entstehen
- Substitution – LLMs erledigen Aufgaben, die früher von Menschen mit hoher Qualifikation ausgeführt wurden (z. B. Code‑Generierung, Dokumentation, Datenbank‑Queries). Der unmittelbare Effekt ist ein Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften, die ausschliesslich diese Aufgaben erledigen.
- Schnelle Diffusion – Im Gegensatz zu früheren Technologien (Bürocomputer, Industrieroboter) benötigen generative KI‑Modelle kaum Investitionen, lassen sich sofort in bestehende Workflows integrieren und erfordern nur minimale Schulungen. Diese Geschwindigkeit erhöht den Anpassungsdruck für betroffene Arbeitnehmende.
- Fehlende Komplementär‑Effekte – Die Studie findet bislang keine Evidenz dafür, dass die Produktivitätsgewinne durch KI sofort zu neuen, KI‑komplementären Stellen führen. Augmentation (Mensch‑KI‑Kooperation) scheint noch nicht stark genug zu sein, um die Verluste zu kompensieren.
- Alters‑ und Qualifikationsdynamik – Jüngere Arbeitnehmende, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, sind stärker von den Substitutions‑Effekten betroffen, weil sie häufiger in den stark exponierten Wissens‑ und IT‑Berufen tätig sind. Ältere Beschäftigte profitieren teilweise von stabileren Arbeitsverhältnissen, spüren jedoch den Rückgang der Stellenangebote erst, wenn sie ihre aktuelle Position verlieren.
Einflüsse auf die Arbeitslosigkeit
- Kurzfristig führt die KI‑Einführung zu einer relativen Erhöhung der Arbeitslosigkeit in stark exponierten Berufsgruppen. Das Risiko ist besonders hoch für junge Fachkräfte, die noch keine ergänzenden KI‑Kompetenzen aufgebaut haben.
- Mittelfristig könnte die Arbeitslosigkeit in diesen Berufen stabilisieren, wenn Unternehmen vermehrt KI‑komplementäre Rollen schaffen (z. B. Prompt‑Designer*innen, KI-Strategist*innen).
- Langfristig bleibt die Frage offen, ob die Produktivitätsgewinne der KI zu einem netto‑positiven Beschäftigungseffekt führen. Das hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der Arbeitnehmende neue, ergänzende Fähigkeiten erwerben und von der Bereitschaft der Unternehmen, in Umschulungsprogramme zu investieren.
Was du jetzt tun kannst
Für Arbeitnehmende
- Weiterbildung priorisieren – Kurse zu Prompt‑Engineering, KI‑gestützter Datenanalyse und Mensch‑KI‑Kooperation geben dir ein defensives Puffer‑Skill‑Set.
- Berufsprofil prüfen – Identifiziere, welche Tasks in deinem Job bereits von LLMs übernommen werden können, und suche nach Aufgaben, die menschliche Kreativität oder Kontextverständnis erfordern.
- Netzwerk aktivieren – Nutze Plattformen wie Natel‑Gruppen oder Velo‑Meet‑Ups, um dich mit Kolleg*innen auszutauschen, die bereits KI‑Tools einsetzen.
Für Unternehmen
- Job‑Design anpassen – Analysiere, welche Tätigkeiten automatisierbar sind, und definiere neue Rollen, die KI‑Komplementarität erfordern.
- Weiterbildungssysteme einführen – Biete Mitarbeitenden strukturierte Programme zu KI‑Nutzung und Prompt‑Design an.
- Recruiting aktualisieren – Formuliere Stellenausschreibungen mit klaren KI‑Kompetenz‑Anforderungen, um die richtigen Kandidat*innen zu finden.
- Risiko‑Dashboard implementieren – Nutze den KI‑Betroffenheits‑Index, um frühzeitig Trends in den betroffenen Berufsgruppen zu erkennen und Gegenmassnahmen zu planen.
Förderungen für Forschung, Innosuisse‑Finanzierung und ein verlässlicher Sozialstaat (Schuldenbremse, Arbeitslosenversicherung) geben den nötigen Spielraum, um den Übergang zu steuern.