Entspannt am Arbeitsplatz - geht das?
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Erinnere ich mich an meine Militärzeit zurück, dann kommt mir vor allem eines in den Sinn: warten, schiessen, warten, robben, warten, Gewehr putzen, warten. In mir breitete sich eine bleierne Langeweile aus. Ich versuchte, jede Tätigkeit zu vermeiden. Trotzdem war ich immer müde und ausgelaugt.
Was ich im Militärdienst erlebt hatte, war nach gängiger Definition ein Boreout. Dauert er wenige Wochen wie im Militär, ist das nicht schlimm. Ungleich härter ist er, wenn er am Arbeitsplatz auftritt. Die Arbeitsstelle kann man nicht so schnell verlassen.
Ein Boreout ist weit mehr, als ein bisschen gelangweilt oder gar faul sein. Philippe Rothlin und Peter R. Werder, die sich im deutschsprachigen Raum als erste mit dem Boreout beschäftigten, unterscheiden vier Elemente, deren Zusammenwirken einen Boreout ausmacht:
Bei der Langeweile geht es um Lustlosigkeit und einen Zustand der Ratlosigkeit. Man weiss nicht, was man tun soll. Die Unterforderung «beschreibt das Gefühl, mehr leisten zu können, als von einem gefordert wird». Beim Desinteresse steht die fehlende Identifikation mit der Arbeit im Vordergrund.
«Arbeitnehmende sind faul gemacht worden.»
Warum suchen sich gelangweilte Angestellte nicht einfach einen neuen Job oder bemühen sich um Arbeit? Paradoxerweise geschieht genau das Gegenteil: Boreout-Betroffene entwickeln Strategien, um möglichst nichts tun zu müssen.
Dieses Verhalten wird nachvollziehbarer, wenn man die Ursachen des Boreout genauer unter die Lupe nimmt. Die Betroffenen sind nämlich nicht gelangweilt, weil sie sich nicht selbst motivieren können, sondern aus einer Reihe anderer Gründe:
In ihrem Buch „Boreout – Biografien der Unterforderung und Langeweile“ führt Elisabeth Prammer Beispiele von Personen auf, die in ein Boreout geraten sind. Es sind keine faulen Menschen. Vielmehr werden sie durch die Umstände oder Vorgesetzten daran gehindert, bei der Arbeit viel zu leisten. Um es mit Rothlin und Werder auszudrücken: «Arbeitnehmende sind faul gemacht worden.»
In ihrem Buch «Unterforderung» führen Rothlin und Werder eine ganze Reihe von Vermeidungsstrategien auf, welche Betroffene anwenden, um die langweilige Arbeit zu vermeiden:
Damit reiten sich Betroffene nur noch mehr in den Boreout. Obwohl sie in ihrem Arbeitsalltag wenig bis nichts tun oder sich mit Ersatzbeschäftigungen wie Online-Games abgeben, sind sie unglücklich. Sie können das Nichtstun nicht geniessen, haben ein schlechtes Gewissen, ihre Zeit vergeht nicht, sie sind unendlich gelangweilt und antriebslos. Am Abend sind sie oft erschöpfter als nach einem anstrengenden Arbeitstag.
«Mit der Unterforderung verliert man irgendwie die Kreativität vollkommen», sagt eine der von Elisabeth Prammer interviewten Personen. «Da ist einfach nur mehr Leere.»
Kein Wunder sprechen die Boreout-Expert*innen den Betroffenen die gleichen Symptome zu, wie sie bei einem Burnout auftreten. Auch der Boreout kann den Schlaf rauben und zu Depressionen führen. Betroffene bleiben gefangen in negativen Emotionen.
Warum versuchen sich Boreout-Betroffene nicht mit allen Kräften aus dem Sumpf zu ziehen, wenn sie keine faulen Menschen sind? Sie probieren es durchaus, schreibt Elisabeth Prammer, aber sie scheitern oft und geben irgendwann auf. Die meisten von ihr Interviewten haben ihrer Chefin, ihrem Chef signalisiert, dass sie unterfordert sind oder mehr Arbeit wünschen. Gefruchtet hat es aus verschiedenen Gründen nicht. Manchmal war die vorgesetzte Person selber von einem Boreout betroffen oder nicht bereit, Arbeit abzugeben. In gewissen Betrieben herrschte eine Kultur der Arbeitsvermeidung.
Da ein Boreout einen grossen Leidensdruck auslöst, müssen auch Betroffene versuchen, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Dazu braucht es gemäss Rothlin und Werder eine gehörige Portion Eigenverantwortung und Selbstmotivation. Im Artikel «Motivation – was treibt uns an?» erfährst du, wie es dir gelingt.
Weiterführende Literatur
Philippe Rothlin, Peter R. Werder: Die Boreout-Falle
Elisabeth Prammer: Biografien der Unterforderung und Langeweile