Fachkräftemangel: Hürden auf dem Weg zur CO2-Neutralität
Man kann es nicht genug betonen: Der Klimawandel erfordert von uns, dass wir unsere Infrastrukturen klimatauglich umbauen. Die Infrastrukturen sind nämlich ausschlaggebend, ob wir genügend erneuerbare Energien zur Verfügung haben werden und ob wir effizient damit umgehen.
Nehmen wir das Beispiel Solarenergie: 2022 sind rund 900 Megawatt Solaranlagen auf unseren Dächern zugebaut worden. Wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllen wollen, muss diese Menge in den nächsten drei bis fünf Jahren mindestens verdoppelt werden. Gleiches gilt für die Energieeffizienz bei den Gebäuden und beim Verkehr. Hier muss die Elektrifizierung von Heizungen und Fahrzeugen vorangetrieben werden.
«Die Energiewende stellt uns Herausforderungen - und bietet Chancen.»
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Diese Arbeiten müssen durch Menschen ausgeführt werden. Der Fachkräftemangel ist deshalb ein Problem, das nicht nur die produzierende Industrie betrifft, sondern ebenso die Bauindustrie und das Installationsgewerbe.
Zwar können durch gute Planung und intelligente Montagesysteme bei der Solarenergie Projekte immer schneller realisiert und der Arbeitsaufwand minimiert werden. Dies senkt nicht nur die Kosten, sondern hilft auch, mehr Anlagen rechtzeitig zu installieren. Dennoch sind es die Mitarbeitenden, welche die Solarpanels auf das Dach bringen, montieren und anschliessen müssen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Solarwirtschaft händeringend neue Fachkräfte sucht. Swissolar, der Branchenverband für Sonnenenergie, geht davon aus, dass Solarfirmen derzeit über 500 Stellen nicht besetzen können. Bis 2035 müsste die Zahl der Fachleute von heute rund 10'000 auf 20'000 verdoppelt werden, um die für die Energiewende nötigen Flächen an Solarmodulen zu installieren.
Diese Massnahmen gibt es
Swissolar hat Programme auf die Beine gestellt, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Das beginnt mit niederschwelligen Kursen, in denen beispielsweise Flüchtlinge oder auch Personen mit schwachem schulischen Leistungsausweis sehr schnell für die Montage fit gemacht werden. Hinzu kommen Quereinsteigerprogramme, bei denen Fachkräfte aus anderen Fachgebieten in der Planung und Erstellung von Solaranlagen ausgebildet werden.
Und im Herbst 2024 starten neue Solarlehren zu Montage und Installation von Solaranlagen. Das Eidgenössische Berufsattest «Solarmonteur:in EBA» kann nach 2-jähriger Lehre erworben werden, das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis «Solarinstallateur:in EFZ» nach 3-jähriger Ausbildung. Bereits heute können Solarfirmen Schnupperlehren in den beiden neuen Berufen anbieten.
Die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft wird zu grossen Veränderungen führen. Jobs werden sich verändern. So ist davon auszugehen, dass Dachdecker*innen bis in zehn Jahren Solaranlagen statt Dachziegeln montieren. Einige Berufe werden verschwinden. Ölheizungen wird es in 20 Jahren wohl kaum mehr geben. Kaminfeger finden neue Beschäftigungsfelder in der Reinigung von Lüftungen oder in der Solarenergie. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch im Automobilgewerbe ab. Elektrofahrzeuge sind deutlich weniger reparaturanfällig, weshalb in den Werkstätten mit deren zunehmender Verbreitung Jobs verschwinden werden.
«Es braucht die Menschenkraft.»
Die Energiewende stellt uns also vor Herausforderungen. Sie bietet aber auch Chancen. Der Bund ist gefordert, den Branchen beim Übergang zu helfen. Es ist erfreulich, dass er in verschiedenen Bereichen Quereinsteiger-Programme finanziert und die Verbände dabei unterstützt, den zukünftigen Fachkräften den Zugang in neue Arbeitsfelder zu ermöglichen.
In der Pflicht sind auch die Unternehmen. Dass es schwierig ist, Fachkräfte für den Bau zu rekrutieren, hat auch damit zu tun, dass die Anstellungsbedingungen oft zu wenig attraktiv sind.
Christian Zeyer
Christian Zeyer ist Gründungsmitglied und Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands swisscleantech. Er bringt Erfahrung mit aus der Industrie und Energieberatung. swisscleantech bringt Firmen zusammen, die für klimataugliches Handeln einstehen.
Autor*in
Christian Zeyer
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