«Zwei Expertisen zum Preis von einer»

Die Rekrutierung von qualifiziertem Personal bleibt eine Herausforderung für die Arbeitgeber, insbesondere in Führungspositionen. Jobsharing kann qualifizierte Personen dazu ermutigen, bei einer niedrigeren Beschäftigungsquote auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben.

Von Mobile Working bis zur Viertagewoche: Moderne Lösungen zur Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben liegen im Trend. Dazu gehört auch das Jobsharing, bei dem sich zwei oder mehr Personen mit einem gemeinsamen Pflichtenheft zusammenschliessen. Die Idee macht Sinn in einer Zeit, in der der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften vielen Industriezweigen einen Strich durch die Rechnung macht. Der Verband PTO (Part Time Optimization) verfügt über internationale Anerkennung bei der Förderung dieses Modells bei den Unternehmen.

«Der Schweizer Arbeitsmarkt hat zusammen mit Holland eine der höchsten Teilzeitquoten der Welt», erklärt Irenka Krone-Germann, Mitbegründerin und Geschäftsführerin von PTO.

«Die Idee, einen Verein zur Förderung des Jobsharings zu gründen, kam mir, nachdem ich meine Doktorarbeit über Teilzeitarbeit geschrieben hatte. Bis heute haben bereits 28% der Schweizer Unternehmen dieses Modell eingeführt.»

Diese relativ neue Arbeitsform überzeugt in erster Linie junge Eltern, Senioren, die sich für einen schrittweisen Ruhestand entscheiden, oder die junge Generation, die von einem hektischen Lebensrhythmus gelangweilt ist.

Frauen: eine vorrangige Zielgruppe

Im Jahr 2022 bescheinigt das Bundesamt für Statistik, dass 70% der weiblichen Angestellten ihr Arbeitspensum senken oder sich aus dem Berufsleben zurückziehen, sobald ein erstes Kind geboren wird. Diese Zahlen belegen die noch immer bestehenden Schwierigkeiten, Arbeit und Karriere harmonisch miteinander zu vereinbaren. Noch weniger ermutigend: Im selben Jahr betrug der Frauenanteil in den Führungspositionen von Unternehmen in der Schweiz weniger als 30%*. Hochqualifizierte Frauen sind daher das vorrangige Zielpublikum von PTO.

Einige Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, haben diese Arbeitsweise bereits übernommen, bevor der Anglizismus in den allgemeinen Sprachgebrauch überging. Ein Beispiel ist der Schulunterricht: Viele Schulkinder haben zwei Bezugslehrerinnen, die sich die Unterrichtsstunden teilen, aber gemeinsam die Klassenführung übernehmen. PTO fördert das Modell nun auch im medizinischen Bereich: Die meisten Absolventen der medizinischen Fakultäten in der Schweiz sind Frauen, und der Beruf, der ein hohes Mass an persönlichem Einsatz erfordert, kann von Teilzeitarbeit profitieren.

 

Eine Herausforderung für Arbeitgeber

«Als ich meine Stelle als Teamleiterin aufgab, stellten die einzigen internen Bewerberinnen für meine Nachfolge die Bedingung, dies im Jobsharing zu tun», erzählt eine Freiburger Managerin, die im Bereich der öffentlichen Verwaltung tätig ist. «Der Arbeitgeber zog es jedoch vor, nur eine Person am Ruder zu haben, und entschied sich für eine externe Bewerbung. Der Einstellungsprozess erwies sich jedoch als langwierig.»

Auf Arbeitgeberseite herrscht manchmal noch eine gewisse Skepsis gegenüber dieser neuen Arbeitsform. In einigen Berufskreisen wird die Teilzeitbeschäftigungsfähigkeit noch immer abwertend mit Faulheit oder mangelndem Engagement gleichgesetzt. Darüber hinaus bedeutet die Einstellung von zwei Personen für die Personalabteilungen höhere Verwaltungskosten und mehr Komplexität bei der Leistungsverwaltung. Dies kann KMU bremsen.

«Die Nachfrage von Firmen nach Coaching im Jobsharing und vor allem im Topsharing, einer speziellen Form des Jobsharing für Führungspositionen, ist jedoch seit der Gründung von PTO vor zehn Jahren deutlich gestiegen. Wir haben zum Beispiel zahlreiche Bundesdepartemente im Modell gecoacht», erklärt Irenka Krone.

Die Digitalisierung der Gesellschaft beeinflusst das Phänomen positiv: Heutzutage steht eine breite Palette an Werkzeugen für eine effiziente Koordination zwischen Kollegen zur Verfügung. Sollte der Arbeitgeber jedoch kategorisch ablehnen, rät PTO eher dazu, nicht darauf zu bestehen: Das Projekt braucht die Zustimmung beider Parteien, um einen guten Start zu haben.

Trotz dieser organisatorischen Anpassungen gibt es viele positive Berichte über Jobsharing, vorausgesetzt, dass sich die beiden Partner gut verstehen. Neben den oben genannten Vorteilen bietet die geteilte Verantwortung für eine Stelle auch die Möglichkeit, den Austausch durch zwei unterschiedliche Sichtweisen zu bereichern. Jeder kommt mit seiner eigenen Erfahrung, seinem eigenen Blickwinkel und Probleme werden gemeinsam diskutiert. Außerdem verdoppelt sich die Möglichkeit, das eigene Netzwerk zu erweitern, wenn jeder Bewerber sein eigenes Adressbuch mitbringt.

«Für die Arbeitgeber sind die Bindung von Talenten, die höhere Produktivität, der Wissenstransfer, die Vielfalt der Fähigkeiten und die Verringerung der Fehlzeiten die wichtigsten Vorteile»

Irenka Krone-Germann Co-fondatrice et directrice de PTO (Part-time organization)

Bist du überzeugt? Hier sind einige Tipps, wenn du dich für das Abenteuer Job- und Topsharing interessierst:

1/ Den Branchenjargon kennen.

Von Jobsharing spricht man bei Stellen, bei denen die Aufgaben unter den verschiedenen Angestellten aufgeteilt werden, und von Jobsharing, wenn das Pflichtenheft vorab unter den betreffenden Angestellten aufgeteilt wird. Jede*r übernimmt dann selbstständig einen Teil der Arbeit. Der Begriff Topsharing bezeichnet eine Form des Jobsharings, die speziell auf Stellen zugeschnitten ist, bei denen es um die Führung und/oder Leitung von Teams geht.

2/ Den richtigen Partner*in finden

Partnerschaften werden oft innerhalb der Unternehmen entschieden, aber es gibt eine Schweizer Plattform, die Kandidaten zusammenbringt: wejobshare.ch. Melde dich an, fülle dein Profil aus und du wirst deinen potenziellen Partner finden, der deinen Wünschen und Fähigkeiten entspricht. Darüber hinaus werden auf der Website teilzeitcarriere.ch/jobsharing die auf dem Markt angebotenen Stellenangebote im Job- und Topsharing referenziert (hauptsächlich in der Deutschschweiz).

3/ Regeln vorab festlegen

Die Frage der Aufgabenverteilung, der Vertretung bei Abwesenheit oder die Berechnung des Lohns für die Parteien erfordern unbedingt, dass sie im Voraus im Vertrag festgelegt werden. Die PTO-Vereinigung stellt Ressourcen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Jobsharing zur Verfügung, in denen die Spannungsfelder bei einem Vertrag detailliert aufgeführt sind. Ein praktischer Leitfaden ist auf ihrer Website www.go4sharing.ch verfügbar; das Team steht auch für individuelle Fragen von Betroffenen zur Verfügung, seien es Arbeitnehmer*innen oder Personalabteilungen.

«Zwei Expertisen zum Preis von einer» ist der einprägsame Slogan, mit dem die PTO-Vereinigung für Job- und Topsharing wirbt. Und über die «beruflichen» Vorteile hinaus ist das Modell ein weiterer Baustein für eine integrativere, generationenübergreifende und solidarische Gesellschaft, die den Gedanken hinter sich lässt, dass man am besten immer nur auf sich selbst vertrauen kann.

*Studie des CIRF, 2022.

Autor*in

Laure Fasel

Laure Fasel

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