Effizient UND resilient im Berufsalltag (1)

Erinnerst du dich an das ungewöhnliche Gefühl während der Pandemie, als du dein Büro zuhause hattest und Kund*innen aus der Küche heraus betreutest?
Ein beispielloses Phänomen, das seitdem ein beispielloses Ausmass angenommen hat. So sehr, dass man heute zu diesem Thema alles und das Gegenteil davon lesen kann. Von einem anerkannten Recht für die einen bis hin zu einem Privileg für die anderen – die Vorstellungen darüber unterscheiden sich von Branche zu Branche, ebenso wie die Art und Weise, wie Unternehmen dies regeln.
In der Schweiz wurde der Anteil der betroffenen Personen als einer der höchsten in Europa eingeschätzt: 15% der Beschäftigten sind regelmässig im Homeoffice und 7,5 % arbeiten sogar überwiegend von zuhause aus. Laut unserer Partnerin Die Plattform gilt das für 90 % der Beschäftigten in Wissens- und Dienstleistungsberufen.
Studien zur Selbsteinschätzung der Produktivität von Telearbeitenden finden sich zahlreich im Internet. In der Schweiz wurden sie eher in kleinem Rahmen durchgeführt, aber die Ergebnisse bestätigen eher eine Produktivitätssteigerung bei der Arbeit von zuhause aus – aufgrund der Abwesenheit von Ablenkungen durch Kolleg*innen oder ständig klingelnder Telefone.
Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt den Trend: Von den Befragten in der Deutschschweiz gaben nur 9 % an, von zuhause aus weniger effizient zu arbeiten. Darüber hinaus würde die Möglichkeit, regelmässig von zuhause aus zu arbeiten, eine*n Arbeitgeber*in für 41 % attraktiver machen – allerdings ist dies nur für 21 % ein entscheidendes Kriterium bei der Bewerbung. Unter denjenigen, die Anspruch auf regelmässige Telearbeit haben, hat jedoch ein Viertel in letzter Zeit im Vergleich zu den Jahren nach der Pandemie Einschränkungen dieser Möglichkeiten festgestellt, und fast ein Fünftel befürchtet eine künftige Einschränkung.
Tatsächlich haben seit 2024 einige grosse nationale Unternehmen angekündigt, das Recht auf Homeoffice aus verschiedenen Gründen einzuschränken oder abzuschaffen, insbesondere aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Teambildung, wenn man immer auf Distanz bleibt. Homeoffice-Anhänger*innen sehen eher die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und schätzen diese Einschränkungen deswegen nicht.
Presseartikel, die sich mit Fake-Work – dem Trend, «so zu tun, als würde man arbeiten» – befassen, wurden lange Zeit gerade der Telearbeit und den Tricks zugeschrieben, mit denen Mitarbeiter*innen vorgeben könnten, arbeitsfähig zu sein, während sie in Wirklichkeit anderen Aufgaben nachgehen. Angesichts der Verpflichtung, wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren, scheint sich dieses Phänomen jedoch auch im Präsenzbereich als stille Reaktion auf diese neue, nicht unumstrittene Richtlinie durchzusetzen.
Junge Menschen sind davon besonders betroffen, und in einigen Online-Foren zeugen die Strategien von grosser Fantasie: am Arbeitsplatz sitzen und Serien auf einem anderen Kanal schauen, lange Telefonate mit konzentriertem Gesichtsausdruck vortäuschen oder in Besprechungen ein paar kluge Sätze einwerfen, um den Anschein zu erwecken, voll bei der Sache zu sein.
In der Schweiz gibt es kein gesetzlich verankertes Recht auf Telearbeit. Eine laufende Initiative zielt jedoch darauf ab, dies zu regeln, um Arbeitnehmer*innen vor einer möglichen Überschneidung von Arbeit und Privatleben zu schützen. Man vergisst manchmal, dass die Arbeit von zuhause aus auch zu längeren Arbeitszeiten, zum Abrufen von E-Mails am Sonntag oder zu dem unangenehmen Gefühl führen kann, ständig erreichbar sein zu müssen.
Angestellte Schweiz befürwortet die Homeoffice-Möglichkeit, wenn sie mit den Unternehmenszielen vereinbar ist – vorausgesetzt, das Recht auf Nichterreichbarkeit ist gewährleistet. Bei Uneinigkeit über eine mögliche Rückkehr an den Arbeitsplatz empfehlen wir einen offenen Dialog mit der Geschäftsleitung, beispielsweise über die Personalvertretung des Unternehmens. Dies ist langfristig konstruktiver als passiver Widerstand, der auch die Motivation beeinträchtigen und zu quiet-quitting führen kann.