Teams – was sie ausmacht

Die Idee, Schiedsrichter zu werden, kam mir durch einen Bekannten, als ich an der Universität Sport studierte. Ursprünglich war es nur ein Nebenjob am Wochenende, aber ich hatte mir zum Ziel gesetzt, mindestens die Challenge League zu erreichen. Die Weiterentwicklung erfolgt dann nach Leistung. Jedes Spiel, das wir pfeifen, wird nach bestimmten Kriterien bewertet: Richtigkeit der Entscheidungen im Strafraum, vergebene Karten, körperliche Verfassung und Positionierung auf dem Platz... Positive Bewertungen ermöglichen den Aufstieg in die nächste Stufe. Im Jahr 2020 schaffte ich den Sprung in die Super League. Und 2022 erhielt ich das FIFA-Abzeichen, das mir ermöglichte, internationale Spiele zu pfeifen.
Der Verband vertritt alle Schiedsrichter*innen und Schiedsrichterassistent*innen der Super League und der Challenge League. Wir sind fünf Personen im Vorstand. Ich habe mich dafür entschieden, weil es in Sachen Arbeitsbedingungen noch viel zu tun gibt, und ich war nicht besonders besorgt, dass mein Engagement vom Verband schlecht aufgenommen werden könnte. Ich habe mich beworben und wurde gewählt. Wir treffen uns regelmässig, um über unsere Arbeitsbedingungen zu sprechen, unter anderem über finanzielle Aspekte, aber nicht nur.
Das Hauptproblem ist, dass wir selbst als internationale Schiedsrichter*innen mit FIFA-Ausweis nur als Halbprofis gelten. Deshalb müssen wir das Schiedsrichtern mit einem anderen Teilzeitjob verbinden.
Als Sportlehrer ist das noch okay, aber das Familienleben leidet darunter. Und ich habe Kolleg*innen, die anspruchsvollere Jobs haben, zum Beispiel als Anwalt*innen. Ausserdem verdienen die nicht internationalen Schiedsrichter*innen der Super League und Challenge League nicht mal 50 %, sondern nur 20 %.
Das bedeutet, dass man die ganze Woche zu 80 % arbeitet und am Wochenende Schiedsrichter ist, manchmal am anderen Ende der Schweiz. Angesichts des Drucks und der möglichen Konsequenzen bei nicht einstimmigen Entscheidungen ist klar, dass von uns optimale Leistungen erwartet werden.
Das körperliche Training findet täglich statt, genau wie bei den Spielern. Das bedeutet für uns, dass wir früh morgens oder spät abends trainieren müssen. Die Anerkennung als vollwertige Profis betrifft also nicht nur den finanziellen Aspekt: Wir sollten jede Woche gemeinsame Trainingseinheiten sowie theoretische Schulungen angeboten bekommen. Das ist die Voraussetzung, um unseren Beruf bestmöglich auszuüben. Für das Training mit meinen Kolleg*innen (etwa alle drei Wochen) und die Trainingslager habe ich das Glück, dass mir mein anderer Arbeitgeber problemlos unbezahlten Urlaub gewährt.
«Das Training ist wie bei den Spielern - jeden Tag.»
Als ich diesen Beruf ergriff, war ich mir des Drucks bewusst, der von verschiedenen Akteuren der Fussballwelt ausgeht. Wenn die Grenze überschritten ist, muss man dies den Vorgesetzten melden. Der SFV und die*der betroffene Schiedsrichter*in analysieren die Situation, und wir haben Anwälte, die uns beraten. In meinem Fall habe ich einmal Morddrohungen per Post an meine Privatadresse erhalten. Ich habe den Vorfall gemeldet, es wurden Fingerabdrücke genommen, aber das hat nichts gebracht. In solchen Fällen kann man ein Entschuldigungsschreiben verlangen oder ein Strafverfahren einleiten.
Die Unterstützung meiner Familie, das Reden mit Kolleg*innen oder sogar mit meinen Schüler*innen in der Schule helfen mir, damit umzugehen. Eigentlich überwiegen bei solchen Vorfällen Traurigkeit und Enttäuschung gegenüber der Wut. Ich versuche wie jeder andere auch, meinen Job so gut wie möglich zu machen. Wir machen alle Fehler bei der Arbeit, aber bei den meisten werden diese Fehler nicht vor 30'000 Zuschauern öffentlich gemacht. Den Kritiker*innen möchte man sagen, sie sollen es doch einmal selbst versuchen. Sie sollen an unserer Stelle auf den Platz gehen und sich der Herausforderung stellen.
Fussball weckt viele Emotionen. Für manche ist der Besuch im Stadion oft ein Ventil, eine Möglichkeit, berufliche oder private Sorgen loszuwerden. Aber deswegen gleich eine Morddrohung wegen eines Spiels zu schicken... das verstehen wir nicht ganz. In der Schweiz spielt auch die sprachliche Vielfalt eine Rolle. Wenn wir ein Spiel zwischen zwei Teams aus verschiedenen Regionen pfeifen, sehen die Medien der jeweiligen Regionen unsere Leistung manchmal unterschiedlich, je nachdem, ob unsere Entscheidungen für oder gegen ihre Mannschaft ausfallen.
Ich denke, dass der Fussball dank dieser Hilfsmittel fairer geworden ist. Insgesamt ist das eine gute Sache. Aber wie bei allen Technologien gibt es auch hier eine Kehrseite: Wir werden umso mehr für eine Fehlentscheidung kritisiert, wenn sie dem VAR widerspricht. Letztendlich hat aber immer der Mensch das letzte Wort.
Die ersten Male sind immer prägend. Das erste Super-League-Spiel, das erste internationale Spiel oder das erste Derby... Es ist jedes Mal ein grosser Druck, weil bei diesen Spielen viel auf dem Spiel steht, aber vor allem sind es viele Emotionen.
Vielen Dank, Luca!