Kind krank – habe ich bezahlten Urlaub zugut?
Unser Sohn Julio (4) hat sich schon wieder eine gemeine Grippe in der Krippe eingefangen. Er ist bereits zum vierten Mal krank in diesem Jahr. Ich habe mich jeweils abwechselnd mit meinem Mann und Julio gekümmert. Insgesamt habe ich bisher 9 Tage an der Arbeit gefehlt, mein Mann 8.
Nun hat mich meine Vorgesetzte darauf hingewiesen, dass ich nur noch einen Tag fehlen dürfe im laufenden Jahr. Die weiteren Tage seien nicht mehr bezahlt.
Ich kann das kaum glauben. Habe ich tatsächlich maximal 10 bezahlte Betreuungstage pro Jahr zugute? Da mein Mann im Ausland weilt, muss ich dieses Mal die Pflege ganz allein übernehmen.
Clara P.
Seit dem 1. Januar 2021 haben Arbeitnehmende Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Pflege eines erkrankten Familienmitglieds oder Partners. Das Obligationenrecht (OR) sieht einen Urlaub von höchstens 3 Tagen pro Ereignis vor.
Dauert die notwendige Betreuung länger als 3 Tage, teilt man die Pflege am besten auf. Wie es Clara und ihr Mann gemacht haben. So kommt man insgesamt auf 6 bezahlte Tage.
Maximal 10 Tage…
Grippen sind selten schnell vorbei. Da Claras Mann nicht einspringen kann, wird sie auf jeden Fall das von ihrer Chefin genannte Limit von 10 Tagen überschreiten. Die Vorgesetzte beruft sich dabei auf eine Bestimmung im Obligationenrecht. Artikel 329h beschränkt in der Tat die maximal bezahlten Tage auf 10 pro Jahr.
Diese Einschränkung gilt nur für die Bezahlung des Urlaubs zur Pflege von Angehörigen. Frei nehmen darf Clara gemäss dem Arbeitsgesetz auch mehr Tage, wenn es notwendig ist. Nur sind diese nach dem Erreichen der 10-Tage-Grenze nicht mehr unbedingt bezahlt.
… oder auch mehr…
Trotz der Beschränkung im Artikel 329h kann Clara auf mehr als 10 Tage bezahlten Urlaub pochen. Sie kann sich nämlich auf eine weitere Bestimmung im Obligationenrecht berufen.
Artikel 324a gewährt ebenfalls einen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Arbeitsabwesenheit. Nämlich dann, wenn jemand gesetzliche Pflichten zu erfüllen hat. Dies hat Clara als Mutter eines kranken Kindes aufgrund ihrer Fürsorgepflicht.
… abhängig von verschiedenen Faktoren
Die Anzahl Tage, die Clara gemäss Artikel 324a zugute hat, hängt von diversen Faktoren ab. Zuerst einmal vom Dienstalter. Im ersten Dienstjahr haben Arbeitnehmende Anrecht auf maximal 3 Wochen Lohnfortzahlung. Danach hängt diese von der Anzahl der Dienstjahre und dem Kanton ab, in dem man arbeitet. Zusätzlich auch von den Regelungen in den einzelnen Betrieben.
Clara kann nun abklären, wie viele Tage bezahlten Urlaub sie gemäss Artikel 324a in ihrer Situation zugute hat. Dann kann sie ihrer Vorgesetzten die Situation erklären. Dabei kann sie auf die Unterstützung durch den Rechtsdienst von Angestellte Schweiz zählen.
Auch wichtig zu wissen
Gut zu wissen ist für Clara oder dich, falls du in der gleichen Situation bist:
- Dein Arbeitgeber kann von dir ein Arztzeugnis für dein krankes Kind verlangen. Dieses beweist, dass dein Kind wirklich krank ist und Betreuung benötigt.
- Als Arbeitnehmer*in bist du verpflichtet, die Dauer der Betreuung auf das erforderliche Minimum zu begrenzen. Kannst du eine andere Person organisieren, die zum Kind schaut, solltest du es aus juristischer Sicht machen.
Autor*in
Legal Counseling
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