Speed Recruiting: ein neuer Hebel für die Eingliederung

Während KI heute Bewerbungsunterlagen leicht filtern kann, setzen manche Unternehmen bewusst auf den persönlichen Kontakt. Der folgende Beitrag wirft einen Blick auf das Phänomen Speed Recruiting, das vom Speed Dating inspiriert ist und Fachleute zusammenbringt.

Luca ist 16 Jahre alt und sucht eine Lehrstelle als Elektriker. An einem Abend trifft er potenzielle Arbeitgeber*innen, um ein Praktikum und anschliessend einen Lehrvertrag zu ergattern. Sein Ziel: sein Interesse und sein Auftreten live zeigen – nicht einen NotenReport, der eine wechselhafte Schullaufbahn belegt. Er hat nur sieben Minuten, um zu überzeugen … und sieben Versuche bei sieben anwesenden Recruiter*innen!

Das ist ein Beispiel für Speed Recruiting. Wie beim analogen Konzept für Dates trifft man sich, stellt sich vor … und, wenn die Chemie stimmt, geht es weiter. Das Tool ist momentan sehr gefragt im Eingliederungsbereich, besonders für Profile, die einen zusätzlichen Schubs benötigen, um das Interesse von Arbeitgeber*innen zu wecken. Dazu gehören künftige Lernende, erwachsene Personen, die lange nicht im Arbeitsleben standen, oder Menschen ab 50 Jahren.

Beispiel für ein junges Publikum

« Die jungen Menschen, die wir unterstützen, nutzen die Erfahrung sehr gern », erklärt Valérie Blanchard, Leiterin des Bereichs soziale und berufliche Eingliederung bei der Fondation Cherpillod. « Sie wollen durch die Teilnahme ein Praktikum erhalten. Wenn das gut läuft, kann es zu einem Ausbildungsvertrag führen. Im letzten Jahr entstanden daraus 77 PraktikumsTage und sechs Lehrverträge. »

Die Fondation Cherpillod, mit Sitz im Kanton Waadt (Broye), bietet – neben vielen anderen Massnahmen-Programme an, um die Eingliederung von Jugendlichen in die Arbeitswelt zu fördern. Seit neun Jahren organisiert sie diese Fach‑Meet‑Ups mit 15‑18 eingeladenen Unternehmen, in Zusammenarbeit mit dem SeMo, Coach’In und Arcades, drei Sektoren der Organisation.

Für Arbeitgeber*innen bedeutet das Event, in kurzer Zeit viele Kandidatinnen mit sehr unterschiedlichen Profilen kennenzulernen. Einen jungen Praktikanten aufzunehmen, ist für Unternehmen ein Investment; ein vorheriger persönlicher Kontakt wird deshalb hoch geschätzt. Der weitere Rekrutierungsprozess folgt den üblichen Standards.

Lehrlinge bilden also eine besonders wichtige Zielgruppe solcher Veranstaltungen. Das Konzept existiert aber auch für Erwachsene und wird teilweise in den ORP eingesetzt.

Vorteile für die Unternehmen

Laut der Web‑Plattform www.hrpraxis.ch lauten die Vorteile für Arbeitgeber*innen:

  • Keine unnötigen Formalitäten – die begrenzte Zeit bei Speed Recruiting fokussiert auf das Wesentliche (Ziele, Erfahrung, Kompetenzen).
  • Authentizität – das Feeling und die menschliche Komponente stehen im Vordergrund; Personen mit untypischem Werdegang können ihren ungewöhnlichen Lebenslauf direkt erläutern.
  • Zeitersparnis – Unternehmen erhalten viele Bewerber*innen auf einmal und sparen Aufwand beim üblichen Sortieren von Bewerbungen.
  • Erweiterung des Kandidat*innen-Kreises – das Event bringt Personen mit, die sonst nicht über den klassischen Bewerbungsweg nachgedacht hätten.

Die Kunst, einen guten Eindruck zu machen

Der Nachteil? Die Methode verlangt, den Stress im Moment zu managen. Personen, die von Natur aus einen guten Eindruck hinterlassen, können bevorzugt werden. Für Recruiter*innen besteht das Risiko, talentierte Kandidat*innen zu übersehen, die weniger stark im Selbstmarketing sind.

«Die jungen Menschen, die wir begleiten, sind gut auf das Event vorbereitet», sagt Valérie Blanchard. «Wir bieten Interview-Simulationen und Coaching an. Am Tag bleiben wir vor Ort, um sie bei Bedarf zu unterstützen. Trotz des Stresses, in sieben Minuten zu überzeugen, empfinden sie die Erfahrung als zugänglicher, als allein die Tür eines Unternehmens zu öffnen.»

 

Damit zeigt sich, dass in einer Zeit, in der das Talent-Recruiting stark digitalisiert ist, Speed Recruiting eine innovative Möglichkeit bietet, den persönlichen Austausch zu fördern. Während standardisierte Berufslaufbahnen seltener werden, schafft dieser Ansatz einen interessanten Hebel, um das Sozialverhalten und die Soft Skills, die ausserhalb des Lebenslaufs liegen, in den Vordergrund zu rücken. Manchmal reicht ein gutes Feeling als Basis für eine hochwertige Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgeber*innen.

 

Quelle:
Job‑Speed‑Dating: Vor‑ und Nachteile – Praxisinformationen zum Personalmanagement

 

Autor*in

Laure Fasel

Laure Fasel

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