Coaching: Reden ist Silber, fragen ist Gold
«Die Essenz des Coachings liegt darin, anderen zu helfen, ihr Potenzial zu befreien.» Das ist schön gesagt von Michael Bungay Stanier. Aber wie erreiche ich dieses Ziel?
Weniger reden, mehr fragen
Der angesehene Coaching-Experte und Vordenker Bungay Stanier zeigt in seinem Buch «The Coaching Habit» einen einfachen Weg dazu auf. Er fordert Führungspersonen dazu auf, weniger zu reden und stattdessen sieben Kernfragen zu stellen. Damit stösst man zum Kern einer Sache vor und kann eine Person in zehn oder weniger Minuten coachen.
1. Das Eis brechen: die Kickstart-Frage
«Small Talk kann eine gute Möglichkeit sein, sich aufzuwärmen, aber es ist selten der Übergang, der zu einem bedeutungsvollen Gespräch führt», schreibt Michael Bungy Stanier. Eine treffsichere Methode, eine Unterhaltung zu beginnen, die zu einem echten Gespräch führt, ist für ihn die Frage «Was beschäftigt dich gerade besonders?»
«Durch ihre Offenheit lädt diese Frage Menschen ein, zum Kern der Sache vorzudringen und mitzuteilen, was ihnen besonders wichtig ist», sagt Bungay Stanier.
Um herauszufinden, welcher Aspekt im Kern einer Schwierigkeit liegt, kannst du das Gespräch auf verschiedene Dinge fokussieren:
- den Inhalt einer Situation,
- Personen oder
- Verhaltensmuster und Arbeitsweisen
2. Informationen und Optionen gewinnen: die magische Frage
«Mehr Möglichkeiten können zu besseren Entscheidungen führen», ist Michael Bungay Stanier überzeugt. Er findet darum die Frage «Und was noch?» die beste aller Coaching-Fragen überhaupt. Stellst du sie, erhältst du viele zusätzliche wichtige Informationen – und bessere Optionen. Du gewinnst zudem Zeit und zügelst deinen Reflex, Ratschläge zu erteilen.
Erhältst du letztlich die Antwort «Das ist alles», dann hast du dein Ziel mit der magischen Frage erreicht.
3. Das richtige Problem lösen: Die Fokus-Frage
«Die Herausforderung, von der Ihre Mitarbeiter sprechen, ist wahrscheinlich nicht die wirkliche Herausforderung, mit der Sie arbeiten müssen», stellt Michael Bungay Stanier oft fest. Der Mensch lässt sich leicht dazu verlocken, über Nebenthemen zu reden. Zum Beispiel über ein Symptom oder ein zweitrangiges statt über das Hauptproblem.
Willst du wissen, was dein Gegenüber wirklich umtreibt, musst du die Frage «Was ist hier deine wirkliche Herausforderung?» stellen. Damit kannst du das wirkliche Problem aufdecken und besprechen.
4. Zum Kern vordringen: die grundlegende Frage
«Die Illusion, dass beide Seiten des Gesprächs wissen, was die andere Seite will, ist weit verbreitet, und sie ist der Grund für viele frustrierende Interaktionen.» Weil das so ist, schlägt Michael Bungay Stanier vor, herauszufinden, welches Bedürfnis hinter einer Bitte einer Mitarbeiterin, eines Mitarbeiters steht.
Die Frage dazu ist denkbar einfach: «Was willst du?» Es ist eine starke Frage, die eine starke Antwort provoziert.
Weil zu einem Coaching-Gespräch immer zwei gehören, empfiehlt Bungay Stanier, die Frage nicht nur anderen, sondern auch sich selbst zu stellen.
5. Aus unnützen Rollen finden: die bequeme Frage
Gemäss Michael Bungay Stanier spielen wir im Berufsalltag ständig eine dieser Rollen:
- Opfer («Mein Leben hier ist schwer, ich werde ungerecht behandelt»)
- Ankläger («Ich bin von Idioten und Dummköpfen umgeben»)
- Retter («Lass mich es übernehmen und in Ordnung bringen»)
Eine dieser Rollen mag bei dir besonders ausgeprägt sein. Wir alle wechseln aber je nach Situation in den Rollen hin und her. Um sich aus diesem «Drama-Dreieck» zu befreien, empfiehlt Bungay Stanier die Frage: «Wie kann ich helfen?» Sie zwingt dein Gegenüber, eine klare Bitte zu äussern.
Vielleicht noch wertvoller ist: Die Frage hält dich davon ab, wie ein typischer Retter zu denken: dass du weisst, wie zu helfen ist. Stattdessen lässt du deine Gesprächspartnerin oder deinen Gesprächspartner Vorschläge machen.
6. Klarheit gewinnen: die strategische Frage
Michael Bungay Stanier gefällt die Definition von «Strategie» von Michael Porter: «Die Essenz der Strategie ist die Entscheidung, was man nicht tut.» Sie hat ihn dazu gebracht, die Coaching-Frage «Wenn du dazu ja sagst, wozu sagst du nein?» zu formulieren.
Damit forderst du dein Gegenüber auf, in Bezug auf ein Ja klar und entschlossen und nicht halbherzig zu sein. Das Nein setzt dem Ja klare Grenzen.
Auch bei dieser Frage kannst du wie bei Frage 1 fokussieren auf den Inhalt einer Situation, auf Personen oder auf Verhaltensmuster und Arbeitsweisen.
«Die Essenz der Strategie ist die Entscheidung, was man nicht tut.»
7. Bleibende Wirkung erzielen: die Lern-Frage
Du möchtest natürlich, dass dein Coaching-Gespräch eine bleibende Wirkung hat. Die Leute lernen nicht dadurch, dass du ihnen etwas sagst, weiss Michael Bungay Stanier. Sie lernten nicht mal, wenn sie etwas tun. Sondern erst, «wenn sie die Möglichkeit haben, sich an das, was gerade geschehen ist, zu erinnern und darüber zu reflektieren».
Du kannst deinen Gesprächspartnerinnen die Möglichkeit dazu geben mit der Frage: «Was war am nützlichsten für dich?» Wenn du diese Frage stellst und sie die Antwort selbst formulieren müssen, steigt ihre Erinnerungsquote erheblich. Du erfährst zudem, was an deinem Coaching besonders nützlich war.
Das musst du auch beachten
Damit dein Coaching mit den sieben Kernfragen erfolgreich wird, beachte noch diese zwei wichtigen Punkte:
- Stelle immer nur eine Frage auf einmal.
- Wenn du die Frage gestellt hast, warte ruhig und geduldig auf die Antwort. Das kann dauern. Lass dich dadurch nicht dazu verleiten, eine oder mehrere Fragen hinzuzufügen.
Viele weitere nützliche Tipps für dein Coaching mittels der sieben Fragen findest du im Buch «The Coaching Habit» von Michael Bungay Stanier. Angestellte Schweiz wünscht dir viel Erfolg!
Autor*in
Hansjörg Schmid
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