Schweiz-Europa: Die Kraft des Kompromisses

Von der Kontrolle der Einwanderung bis zum Schutz der Löhne bilden die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und Europa das grosse politische Dossier des Jahres. Ihre Umsetzung ist für unsere Wirtschaftslandschaft von wesentlicher Bedeutung, da sie die besten Bedingungen für Innovation und Ausbildung gewährleistet.

Geopolitische Entwicklungen, Digitalisierung, Fachkräftemangel: Die bilateralen Abkommen zwischen Bern und Brüssel müssen an die Veränderungen und Herausforderungen unserer Zeit angepasst werden. In diesem Zusammenhang hat der Bundesrat jüngst Massnahmen zur Sicherung der Löhne ohne Beeinträchtigung der Marktflexibilität verabschiedet. Eine Notwendigkeit für die Industrie, da die US-Zölle den Exportmarkt schwächen. Die Europäische Union bleibt mit Abstand die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz.

 

Ein wenig Geschichte

Nachdem die Bevölkerung 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR abgelehnt hatte, mobilisierte die Schweiz ihre Kompromisskultur und nahm Verhandlungen mit Brüssel auf, um die Freizügigkeit, den Luftverkehr, den Handel, die Bildung und die Forschung zu regeln. Die ersten bilateralen Abkommen traten 2002 in Kraft und wurden 2006 durch neue Regelungen in den Bereichen Justiz, Asyl, Terrorismusbekämpfung und Umweltschutz ergänzt.

Von 2018 bis 2021 waren die Wiederaufnahme der Gespräche zur Modernisierung dieser Beziehungen aufgrund zu grosser Meinungsverschiedenheiten zwischen den Forderungen der EU und dem Wunsch der Schweiz, ihre Entscheidungsbefugnis zu wahren, nicht erfolgreich. Diese Aussetzung veranschaulicht das Paradoxon, das unsere Beziehung zu Europa seit jeher geprägt hat: Zusammenarbeit ist wichtig, aber auch die Verteidigung unserer Souveränität.

 

Erfolg Ende 2024

Im Dezember reicht Viola Ahmerd nach fast 200 Treffen der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen die Hand. Die bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen im Jahr 2023 festgelegten Ziele werden erreicht. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen die Kontrolle der Einwanderung und der Kampf gegen Lohndumping.

Umfragen zeigen, dass sich sowohl die Bevölkerung als auch die Unternehmen mehrheitlich für die bilateralen Abkommen aussprechen, allerdings mit Vorbehalten auf beiden Seiten des politischen Spektrums: Angst vor einer unkontrollierbaren Einwanderung auf der einen Seite, Besorgnis über den Schutz der Löhne auf der anderen. Der Ball liegt nun beim Bundesrat und dann beim Parlament; das Volk wird das letzte Wort in einer Volksabstimmung haben - wann, bleibt abzuwarten.

 

Lohnschutz im Mittelpunkt

Wieder einmal sind Kompromisse und Zugeständnisse erforderlich. Die neuesten Nachrichten sind ermutigend. Ende März 2025 verabschiedete der Bundesrat die ausgehandelten Massnahmen – sie wurden unter der Moderation des SECO zwischen den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband vereinbart.

Die Massnahmen betreffen:
1) Schutz bestehender GAV
2) Stärkung der Verantwortung der Unternehmer*innen in Bezug auf das Dumping von Löhnen
3) Sozialleistungen, ohne die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu beeinträchtigen

Die Massnahmen sind ein Beweis dafür, dass die Sozialpartnerschaft nach wie vor lebendig ist und ein wirksames Instrument der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber*innen, Arbeitnehmer*innen und politischen Behörden bleibt.

 

Unser politischer Partner Die plattform, der Zusammenschluss unabhängiger Arbeitnehmer- und Berufsverbände, erklärt:

«Bei einem Abkommen geht es letztlich um ein Abwägen zwischen den Vorteilen eines uneingeschränkten Zugangs zum Binnenmarkt der EU (Kooperationsgewinn) und den Nachteilen, welche mit den vereinbarten institutionellen Regelungen und der dynamischen Rechtsübernahme in den fünf Marktzugangsabkommen verbunden sind. Für die plattform überwiegen deutlich die Vorteile eines Binnenmarkts und die Rechtssicherheit.“

Webseite Die Plattform

Autor*in

Laure Fasel

Laure Fasel

Mehr zum Thema

Unsere Kurse

Mitglied werden und profitieren

Werde Mitglied von Angestellte Schweiz und schliesse dich unseren 12'000 Mitgliedern an.