Kurz erklärt: Die Schweizer Energie- und Klimapolitik

Netto-Null-Ziel, Lenkungsabgabe, Mantelerlass, Solaroffensive: Begriffe der Schweizer Energie- und Klimapolitik tauchen häufig in der öffentlichen Diskussion auf. Eine Einordnung der wichtigsten Ziele und Massnahmen.

Die Richtung der Schweizer Klima- und Umweltpolitik gibt der Bund vor, das heisst der National- und Ständerat und der Bundesrat. Die Kantone führen die Entscheide aus.

Der Klimawandel und die Energiekrise rücken dieses Thema in den Fokus. Damit verknüpft sind weitere Umweltbereiche wie Artenschutz und Kreislaufwirtschaft. Hier besteht in der Schweiz ein grosser Anpassungsbedarf. Denn im weltweiten Vergleich verbrauchen wir pro Person sehr viele Ressourcen und stossen viele Treibhausgase aus.

Vom Pariser Klimaabkommen zur Gletscherinitiative

Die Schweizer Klimapolitik leitet sich vom Pariser Klimaabkommen ab. 2015 wurde es von 195 Staaten verabschiedet. Das Ziel dieses Klimaabkommens: den weltweiten Temperaturanstieg auf unter 2 Grad zu begrenzen, wenn möglich auf maximal 1,5 Grad. Damit dies gelingt, dürfen bis um das Jahr 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausgestossen werden. Das Ziel wird deshalb auch als Netto-null-Ziel bezeichnet.

Das heisst: Weil sich nicht alle CO2-Emissionen vermeiden lassen, muss der verbleibende Teil aus der Atmosphäre entfernt werden. Dies kann über natürliche Prozesse wie Aufforstung (wachsende Bäume speichern CO2) oder technische Massnahmen (Abscheidung von CO2 aus der Luft) erfolgen. Die Schweiz hat das Abkommen in Kraft gesetzt, und der Bundesrat hat das Netto-Null-Ziel ist 2050 in der langfristigen Klimastrategie verankert.

Das Klimaschutzgesetz präzisiert das Netto-Null-Ziel. Im Sommer 2023 hatte das Stimmvolk dem Gesetz zugestimmt. Darauf hatten sich National- und Ständerat zuvor geeinigt, in Form eines indirekten Gegenvorschlags zur Gletscherinitiative. Um das Klimaziel zu erreichen, sind folgende Massnahmen vorgesehen:

  • 2 Milliarden Franken für den Ersatz von Heizungen, die mit Öl oder Gas betrieben werden
  • 1,2 Milliarden Franken zur Förderung neuer Technologien

Hin und Her um das CO2-Gesetz

Weitere wichtige Massnahmen, um die Treibhausgase zu reduzieren, sind im CO2-Gesetz verankert. Dieses trat 2000 in Kraft und ist seither mehrmals angepasst worden. Es legt die Ziele zur CO2-Reduktion bis 2020 fest. Die letzte Revision ist 2021 knapp vom Volk abgelehnt worden.

Derzeit verhandelt das Parlament über eine neue Version, um die Reduktionsziele (bis 2030) und Klimaschutzmassnahmen gesetzlich zu verankern.

Das CO2-Gesetz: aktuelle Massnahmen 

  • CO2-Abgabe auf Heizöl, Erdgas und Kohle: 120 Franken pro Tonne CO2. Davon werden zwei Drittel an die Bevölkerung und die Unternehmen zurückverteilt (Lenkungsabgabe).
  • Gebäudeprogramm: fördert die energetische Sanierung von Gebäuden sowie Investitionen in erneuerbare Energien. Es wird mit einem Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe finanziert.
  • Emissionshandel: CO2-intensive Unternehmen wie Zement- und Papierhersteller sowie Chemie- und Pharmafirmen müssen am Emissionshandelssystem die Rechte zum Ausstoss von Treibhausgasen erwerben. Das System soll dafür sorgen, dass CO2-Emissionen dort vermindert werden, wo es am günstigsten ist.

Gemäss dem CO2-Gesetz hätte die Schweiz ihren Treibhausgasausstoss zwischen 1990 und 2020 um 20 Prozent reduzieren sollen. Doch obwohl ein beträchtlicher Teil der Emissionen mit Klimaprojekten im Ausland kompensiert wurde, nahmen die Emissionen nur um 19 Prozent ab. Dies ist vor allem auf den motorisierten Verkehr zurückzuführen, dessen Emissionen weiter zunehmen.

Passive Schweizer Energiepolitik

Wichtige Entscheide in der Schweizer Energiepolitik wurden durch weltweite Ereignisse ausgelöst. Nur zwei Monate nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 hat der Bundesrat den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Das bedeutet: Die bestehenden Kernkraftwerke werden am Ende ihrer Betriebsdauer stillgelegt und nicht durch neue ersetzt.

Diesen Plan hat das Volk 2017 in der Abstimmung über die «Energiestrategie 2050» gutgeheissen. Dabei wurde auch festgelegt, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Zu den erneuerbaren Energien gehören etwa Wind-, Wasser- und Sonnenkraftwerke.

Ihre Energie wird benötigt, weil durch den Ausstieg aus der Kernenergie der Strom der Kernkraftwerke wegfällt. Gleichzeitig steigt der Strombedarf. Der Grund: Fossile Heizungen sollen durch Wärmepumpen ersetzt werden. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sollen durch Elektroautos ersetzt werden. Diese Veränderung ist erforderlich, um die Klimaerwärmung zu begrenzen.

Die Solarenergie soll den grössten Beitrag an die erneuerbaren Energien leisten, unterstützt durch Windenergie. Dabei muss das Tempo beim Ausbau erheblich gesteigert werden. Denn die Schweiz liegt bei Solar- und Windenergie im europäischen Vergleich deutlich zurück. Laut der Schweizerischen Energiestiftung belegt unser Land bei der Pro-Kopf-Produktion von 28 untersuchten Staaten nur Rang 23. Dänemark und Schweden produzieren pro Kopf rund achtmal mehr Strom aus Solar- und Windenergie als die Schweiz.

Solaroffensive zulasten der Umwelt?

2022 haben der Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelöste Energiekrise die grosse Abhängigkeit von Öl und Gas deutlich gemacht. Weil ein Strommangel drohte, verabschiedeten der National- und Ständerat im Herbst 2022 ein dringliches Bundesgesetz zum Ausbau der Solarenergie. Mit dieser «Solaroffensive» soll bis 2025 die Stromproduktion im Winter deutlich erhöht werden. Gesetzliche Anforderungen bei Natur- und Umweltschutz werden gelockert. Grosse alpine Solaranlagen sollen einfacher bewilligt werden können.

Die Produktion von Winterstrom ist wichtig, da ungewiss ist, in welchem Umfang die Schweiz in Zukunft Strom importieren kann. Diese Importe waren bisher in der kalten Jahreszeit nötig. Ein Stromabkommen mit der EU könnte den grenzüberschreitenden Stromhandel regeln. Doch wann ein solches Abkommen zustande kommt, ist nicht klar. Denn die Schweiz hatte die Verhandlung mit der EU 2021 abgebrochen. Wie wichtig die Einbindung in den europäischen Strommarkt ist, verdeutlicht eine Studie des Bundesamts für Energie von 2022. Mit einem Stromabkommen seien in den kommenden Jahren keine Versorgungsengpässe zu befürchten, heisst es im Bericht.

Mehr Strom aus erneuerbaren Energien

Im Sommer 2023 beschloss das Parlament auch eine Windenergie-Offensive («Windexpress»). Das dringliche Gesetz soll den Bau von grossen, in der Planung bereits fortgeschrittenen Windkraftprojekten beschleunigen. Neu erteilen kantonale Behörden die Baubewilligung, nicht wie bisher die Gemeinden. Beschwerden ans Bundesgericht sind nur noch bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zulässig.

Ein weiteres Gesetz (Mantelerlass zum Energie- und Stromversorgungsgesetz) soll dafür sorgen, die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft bis 2035 kräftig zu steigern. Gleichzeitig werden Bestimmungen für den Naturschutz gelockert. Das Parlament verabschiedete das Gesetz im Dezember 2023. Weil kleinere Umweltorganisationen dagegen das Referendum ergriffen haben, stimmt das Volk über das Gesetz ab (voraussichtlich im Juni 2024).

Autor*in

Thomas Schenk

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