Der Abschied vom fixen Arbeitsplatz
Prof. Dr. Hartmut Schulze ist Arbeitspsychologe und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Er verbringt lediglich 30 bis 40 Prozent seiner Arbeitszeit in den Büroräumlichkeiten der Fachhochschule in Olten. Die restliche Zeit arbeitet er vom Home-Office aus, im Zug, im Café… So, wie viele andere Berufstätige heute auch. Der Arbeitsplatz ist nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden.
Wahlfreiheit – auch im Büro
Damit noch nicht genug. Hartmut Schulze hat selbst, wenn er an der Fachhochschule in Olten arbeitet, unterschiedliche Orte zur Auswahl. «Wir haben verschiedene Büro-Zonen, die ich je nach Tätigkeit und Stimmung nutze», erklärt er. Er arbeitet nämlich in einem so genannten Multispace-Büro. Dieses muss man sich so vorstellen: «Unsere Mitarbeitenden haben verschiedene Arbeitsplätze und Zonen zur Wahl. Es gibt eine Zone für ruhiges, konzentriertes Arbeiten.
In der «regular zone» kann man auch miteinander sprechen oder kurz telefonieren. Sie ist eine meiner Lieblingszonen, da ich dort auch von anderen etwas mitbekomme. Für längere Telefongespräche suchen wir die Telefonzimmer auf, um die Kolleg*innen nicht zu stören. Daneben gibt es eine soziale Begegnungszone und eine Zone für gemeinsame Projektarbeiten sowie verschiedene Besprechungsräume.»
Bis auf die Sekretärin hat in Schulzes Büro niemand mehr einen eigenen Arbeitsplatz. Die Direktorin hat ihr Büro aufgelöst und sitzt mit allen anderen in der Fläche.
Für jede Arbeit den optimalen Ort
Ist Hartmut Schulze nicht im Büro, arbeitet er regelmässig im Home-Office. «Häufig am Montag», sagt er. «An diesem Tag koche ich das Mittagessen für unsere Kinder und nutze den Vor- und Nachmittag für ungestörtes Arbeiten.» Der Professor arbeitet daneben im Zug oder Café. Beim Reisen kann er sich gut konzentrieren.
«Wir vernachlässigen, Gedanken zu verknüpfen, um auf neue Ideen zu kommen. Dazu brauchen wir Räume, in denen man nachdenken und die Gedanken schweifen lassen kann.»
Ein Grossteil der Arbeitsorte von Hartmut Schulze ergibt sich durch seine Agenda. Warum nutzt er abgesehen von externen Arbeitsorten auch im Büro unterschiedliche Zonen? «Wir leben in einer Zeit, die stark darauf ausgerichtet ist, Ergebnisse zu produzieren», erklärt er. «Dabei vernachlässigen wir, Gedanken zu verknüpfen, um auf neue Ideen zu kommen. Dazu brauchen wir auch Räume, in denen man nachdenken und die Gedanken schweifen lassen kann.» Schulze arbeitet gerne an belebten Orten. Dort möchte er sich nicht unbedingt unterhalten, schätzt aber andere Menschen um sich rum.
Erfordert die Arbeitssituationen Gespräche, braucht es Räumlichkeiten, in denen dies leichtfällt. «Den Austausch von Mensch zu Mensch halte ich für eine wichtige Ressource», sagt Hartmut Schulze. «Sie wird allerdings knapper, da wir uns mehr und mehr mit Maschinen beschäftigen und mit ihnen kommunizieren.»
Herausfinden, was nicht funktioniert
Dass es auch Orte gibt, die sich weniger zum Arbeiten eignen, versteht sich von selbst. «Schlecht ist es, wenn es zu laut ist oder wenn man häufig und stark abgelenkt wird», hält Professor Schulze fest. Man komme nicht in allen Umgebungen gleich gut in den Arbeitsfluss.
Belastend wird ein ungeeigneter Arbeitsort, wenn man ihn nicht wechseln kann. «Das ist schwer zu ertragen und kann auf die Gesundheit schlagen», weiss Schulze. «Deshalb haben sich Grossraumbüros ohne weitere Arbeitszonen als kritisch herausgestellt. Grössere Büros funktionieren nach unserer Erfahrung nur, wenn sie verschiedene Zonen haben, wie die in unseren Räumlichkeiten in Olten.»
Autonomie statt Fremdbestimmung
Liebgewonnenes geben wir ungern auf – zum Beispiel den eigenen Schreibtisch. «Es war ein Prozess, sich vom fixen Arbeitsplatz zu lösen», sagt Hartmut Schulze. «Meiner Erfahrung nach kann es nur funktionieren, wenn die Betroffenen merken, dass sie dabei dabei auch etwas gewinnen.» Auf den ersten Blick falle der eigene Raum eines Zweierbüros weg, aber man erhalte zum Beispiel Kreativ- oder Ruheräume hinzu. «Es stellt einen besonderen Wert dar, je nach Tätigkeit und Stimmung den dafür je optimalen Ort aufsuchen zu können», ist er überzeugt.
«Wenn ich selbst bestimmen kann, wo, wann und wie ich arbeite, erlebe ich das mobile-flexible Arbeiten eher als Bereicherung. Fremdbestimmung wird als Last empfunden.»
Ein wichtiger Aspekt ist die Autonomie. Hartmut Schulze: «Wenn ich selbst bestimmen kann, wo, wann und wie ich arbeite, erlebe ich das mobile-flexible Arbeiten eher als Bereicherung. Fremdbestimmung wird als Last empfunden.» Letztlich hänge es auch davon ab, was man für ein Typ ist, wo man gerne arbeite und was einen motiviere. «Nicht für alle ist das Gleiche gut. Eine gute Möglichkeit für positive Lösungen ist es, die Mitarbeitenden bei der Gestaltung der Büroumwelt mit einzubeziehen», rät er.
Autor*in
Hansjörg Schmid
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