Geschlechtsidentität spielt bei der Arbeit keine Rolle

Niemand darf an der Arbeitsstelle gezwungen werden, die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung offenzulegen. Oder sie geheimzuhalten.

Mein Name ist Robin. Diesen geschlechtsneutralen Rufnamen habe ich selbst gewählt. Geboren wurde ich als Robert. Ich fühlte mich aber nie wirklich männlich, sondern als weibliche Persönlichkeit. Deshalb ist meine Erscheinung weiblich.

Ich habe ich mich für eine Arbeitsstelle in einem mittelgrossen Industrieunternehmen beworben und die neue Stelle kürzlich angetreten. Meine Geschlechtsidentität war im Bewerbungsprozess kein Thema. Nun bekundet mein direkter Vorgesetzter aber Mühe mit meinem Transgender-Auftritt. Er hat mich aufgefordert, meine Geschlechtsidentität tunlichst zu verbergen. Er droht mir sogar damit, dass ich sonst die Probezeit nicht bestehen könnte.

Ich möchte zu mir als Transgender-Person stehen und mich beruflich verwirklichen – nicht mich mit solchen Fragen rumschlagen müssen. Kann man wirklich von mir verlangen, mich zu verleugnen?

Robin M.

 

Robins Arbeitgeber hat sich bis zur Anstellung korrekt verhalten, indem er die Geschlechtsidentität in den Vorstellungsgesprächen nicht thematisierte. Gemäss Gleichstellungsgesetz, Obligationenrecht (OR) und Datenschutzgesetz sind Fragen zur sexuellen Orientierung, Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit nicht erlaubt. Bewerbende sind auch nicht dazu verpflichtet, dazu Angaben zu machen.

Betroffene bestimmen selbst

Nun stehen aber eine Forderung und eine Drohung im Raum, die sich nicht mit der Arbeitsrechtsgesetzgebung in Einklang bringen lassen. Es darf nämlich von niemandem verlangt werden, die sexuelle Orientierung, Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit geheim zu halten. Umgekehrt darf auch niemand gezwungen werden, diese offenzulegen. (Eine Ausnahme kann es bei privatrechtlichen Institutionen mit ideellem oder spirituellem Zweck geben.)

Anstellung darf nicht verweigert werden

Eine Anstellung darf aufgrund der sexuellen Orientierung, Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit nicht verweigert werden. Die Androhung ihres Vorgesetzten aufgrund von Robins gelebter Transgenderidentität ist eine Diskriminierung und verstösst gegen das Gleichstellungsgesetz und das OR. Wenn ihr deswegen finanzielle Verluste entstehen würden, könnte sie finanzielle Entschädigung verlangen.

Weitere Rechte schützen Transpersonen

Robin ist als Transperson durch weitere Rechte in ihrer Identität gut geschützt:

  • Sie darf selbst wählen, mit welchem Vornamen sie angesprochen werden will und mit welchem Pronomen: «sie» oder «er» oder eine neutrale Form. Dies muss auch in ihren Arbeitszeugnissen so gehandhabt werden.
  • Der Arbeitgeber muss Robin sanitäre Infrastrukturen (Toiletten, Duschen, Garderoben) zur Verfügung stellen, die ihr Sicherheit bieten und ihre körperliche und geschlechtliche Integrität respektieren. Dabei müssen die Bedürfnisse der Kolleg*innen mitberücksichtigt werden und für das Unternehmen muss die Lösung wirtschaftlich tragbar sein.
  • Sollte sich Robin für eine körperliche Geschlechtsangleichung entscheiden, darf sie deswegen nicht gekündigt werden. Sie hat zudem Anrecht auf einen Krankheitsurlaub.
  • Nicht zuletzt stellt sich bei Transgenderpersonen die Frage nach dem Pensionierungsalter. Dieses richtet sich nach dem amtlichen Geschlecht. Robin, die noch als Mann registriert ist, kann das amtliche Geschlecht auf Gesuch hin ändern. In der Schweiz stehen nur männlich oder weiblich zur Auswahl. Bei Transidentität wird in der Regel eine Bestätigung dafür von einer psychologischen oder psychiatrischen Fachperson verlangt, jedoch keine medizinische Behandlung irgendwelcher Art. Bitte beachte: Das Pensionierungsalter der Frauen wird nach der Abstimmung vom September 2022 schrittweise an das der Männer angeglichen – vorgesehen ist dies bis 2028.

Robin braucht also ihre Identität nicht zu verstecken – ihrer Entfaltung am Arbeitsplatz steht mindestens rechtlich nichts im Wege.

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