Headhunter: Wie sie auf Talentjagd gehen
Headhunter, die Experten für die Rekrutierung von Talenten, spielen eine entscheidende Rolle bei der Akquisition von Führungskräften in der Schweiz, indem sie den Unternehmen einen privilegierten Zugang zu qualifizierten Kandidaten durch rigorose Auswahlmethoden bieten.
Historisch gesehen, in einigen Kulturen Südostasiens und Südamerikas, praktizierten Stammesgruppen das Kopfjagen von Menschen als Zeichen von Tapferkeit und Macht. Die Köpfe der Feinde wurden abgeschlagen und als Trophäen aufbewahrt, die den Sieg und die Überlegenheit symbolisierten. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung entfremdet, um eine völlig andere Praxis in der Arbeitswelt zu beschreiben: das Anwerben von Talenten.
Die Modalitäten der Rekrutierung
Im modernen Kontext bezeichnet der Begriff «Headhunter» oder «Kopfjäger» einen Fachmann, der sich auf die Identifizierung und Auswahl von Führungskräften und seltenen Talenten im Auftrag von Unternehmen spezialisiert hat. Der Begriff ist besonders relevant für Positionen mit hoher Verantwortung, in denen der Wettbewerb um die besten Talente hart ist.
Die Rolle der Headhunter bei der Personalbeschaffung
Headhunter spielen eine entscheidende Rolle bei der Personalbeschaffung, insbesondere bei Führungspositionen oder in Bereichen, in denen Kompetenzen rar sind. In der Schweiz werden etwa 30-40 % der Einstellungen für Positionen im oberen Management von Headhuntern vorgenommen. Dies ist auf den wachsenden Bedarf der Unternehmen zurückzuführen, hochqualifizierte Kandidaten zu finden, die häufig bereits in einer Position sind und daher nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind.
Methodologie
Headhunter nutzen verschiedene Methoden, um potenzielle Kandidaten zu identifizieren und zu kontaktieren. Zusätzlich zu ihrem persönlichen, oftmals sehr grossen Netzwerk nutzen fast 80% der Headhunter LinkedIn als wichtigstes Suchinstrument, gefolgt von anderen spezialisierten Plattformen und internen Datenbanken. In der Schweiz betreffen ca. 60% der von Headhuntern vermittelten Stellen Positionen in den Bereichen Finanzen, Pharmazie und Technologie, wo Fachwissen besonders gefragt ist.
Schweizer Unternehmen profitieren in hohem Masse von den Dienstleistungen der Headhunter, da diese Fachleute Expertise bei der Bewertung von Kandidaten und deren Kompatibilität mit der Unternehmenskultur mitbringen. Darüber hinaus sparen sie viel Zeit, indem sie die Kandidaten filtern und nur die relevantesten Profile auswählen. Es geht darum, den besten Kandidaten zu finden, anstatt einen Kandidaten, der «den Job machen kann».
Arbeitsweise und Vergütung
Headhunter werden in der Regel auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Kundenunternehmen bezahlt. Headhunter arbeiten mit exklusiven Mandaten und einem «Retainer» (ein Teil des Honorars wird im Voraus bezahlt, um die Suchkosten zu decken). In der Schweiz beträgt das Headhunter-Honorar durchschnittlich 25-30 % des Bruttojahresgehalts des rekrutierten Kandidaten. Zum Beispiel kann die Provision des Headhunters für eine Führungskraft mit einem Jahresgehalt von 150.000 CHF zwischen 37.500 und 45.000 CHF betragen.
Akquise und Strategien der Headhunter
Die Akquise durch einen Headhunter ist ein sensibler und zielgerichteter Vorgang. Der Prozess beginnt in der Regel mit einer gründlichen Analyse der Bedürfnisse des Kundenunternehmens und des Arbeitsmarktes. Anschliessend identifiziert der Headhunter potenzielle Kandidaten, häufig unter denen, die nicht aktiv auf Arbeitssuche sind.
Sobald die Kandidaten identifiziert sind, kontaktiert der Headhunter sie auf diskrete Weise, häufig per Telefon oder über professionelle Plattformen wie LinkedIn. Die erste Nachricht ist oft persönlich und hebt die einzigartigen Chancen der angebotenen Position hervor.
Verwendete Tools und Einstellungsbereiche
Digitale Werkzeuge spielen eine Schlüsselrolle im Akquisitionsprozess. Neben LinkedIn werden auch andere Plattformen wie Xing und spezialisierte Datenbanken häufig genutzt. Etwa 70% der Erstkontakte werden über diese Plattformen hergestellt, während der Rest auf persönliche Netzwerke und Empfehlungen entfällt.
In der Schweiz rekrutieren Headhunter hauptsächlich in den folgenden Sektoren:
- Industrie
- Pharma und Biotechnologie
- Finanzwesen und Banken
- Technologie und IT
Diese Sektoren sind für Headhunter besonders attraktiv, da die zu besetzenden Stellen sehr komplex sind und ein hohes Mass an Fachwissen erfordern.
Und die Meinung der Fachleute?
Wir hatten das Glück, Grégoire Depeursinge, einen erfahrenen Talentjäger, zu treffen und ihm einige Fragen zu stellen:
Über Grégoire Depeursinge
Grégoire Depeursinge arbeitet als Partner bei der Talentjägerfirma numaH.world, die er 2024 mitbegründete. - Er ist dort Headhunter in einem Team von etwa 20 Personen, die international in mehr als 12 Sprachen arbeiten.
Hallo Grégoire, können Sie unseren Leser*innen erklären, wie man Headhunter wird und welche Schlüsselkompetenzen man braucht, um in diesem Beruf erfolgreich zu sein?
Headhunter sind selten Leute, die aus dem Bereich der Personalbeschaffung oder der Humanressourcen kommen. Es handelt sich meist um Manager, die in den Bereich der Jagd wechseln. Es handelt sich um Personen, die in der Lage sind, ein industrielles Marktumfeld und eine Unternehmenskultur schnell zu verstehen: Headhunter ist ein kaufmännischer Job, der Management- und Verkaufskompetenzen, Risikobereitschaft und eine grosse geistige Beweglichkeit erfordert. Ich selbst habe nach dem Verlust meines Arbeitsplatzes viele Headhunter kennengelernt. Die Vielfalt der Branchen, mit denen sie sehr proaktiv arbeiteten, gefiel mir und bestätigte mein Interesse an diesem Bereich und weckte in mir den Wunsch, bereits 2006 selbst in diesem Bereich tätig zu werden.
Diese Hartnäckigkeit ist also nicht unbedingt jedermanns Sache. Was sind die grössten Herausforderungen in Ihrem Beruf und wie meistern Sie diese?
Ich würde sagen, dass es die Ungewissheit und Mehrdeutigkeit ist, die in der Geschäftswelt herrscht. Wir wissen, dass sich der Wandel beschleunigt, wir können nicht wie früher aufgrund der technologischen Revolutionen über zehn Jahre planen. Kandidat*innen werden sehr zögerlich, der Prozess verlängert sich, die Meinungen ändern sich ständig und dies erfordert eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Darüber hinaus sollte das Bewusstsein der Unternehmen dafür geschärft werden, dass sie sich auch selbst verkaufen müssen, was keine Einbahnstrasse ist. Um eine Bewerber*in für ein Unternehmen zu motivieren, kann man nicht erwarten, dass sie/er ohne Kenntnis der Sachlage motiviert ist.
Letztendlich würde ich sagen, dass es einen derartigen Kommunikationsoverkill gibt, dass es für kleine Strukturen, die sich einer Flut von Wettbewerbern gegenübersehen, sehr schwierig wird, als Headhunter sichtbar zu sein. Die grosse Herausforderung besteht darin, sich zu differenzieren. Dies wirft auch ein Problem bei der Wahrnehmung der Qualität unserer Dienstleistungen auf und wirft die Frage nach ihrer Legitimität auf.
In welchem Kompetenzbereich und in welchen Bereichen rekrutieren Sie im Besonderen? Sind Sie in der gesamten Schweiz tätig?
Wir sind in der gesamten Schweiz tätig, aber auch in Frankreich, Deutschland, Skandinavien, BeNeLux, Spanien und dem Nahen Osten. Etwas weniger als die Hälfte unseres Geschäfts ist in der Schweiz angesiedelt, aber das kann variieren, z.B. wenn der Chef in der Schweiz, das Unternehmen in Amerika und die Personalabteilung in Deutschland ist.
Wir bei NumaH sind Generalisten, arbeiten jedoch hauptsächlich in der Industrie mit Stärken in Nischenbereichen wie Maschinen, Technologie im Zusammenhang mit dem Transport und der Behandlung von Flüssigkeiten (Ventile, Schläuche, Pumpen), technische Textilien und Verbundwerkstoffe, Bauwesen, Lebensmittel, Pharma und Biotechnologie. Auch im Automobilsektor sind wir in Europa sehr gut vertreten. Auf dem Banken- und Finanzmarkt sind wir weniger aktiv. Unsere Hauptkunden sind KMUs zwischen 200 und 5000 Mitarbeitenden, Unternehmen mit Mitteln, aber mit klaren Strukturen, Entscheidungsträgern und wenig Bürokratie. Swissmem-Mitglieder sind zum Beispiel Kunden, die wir suchen.
Die Jagd auf Talente macht 75% unseres Umsatzes aus, der Rest entfällt auf Talententwicklung (Assessments, Assessment Center, Coaching) und HR-Beratung (Leistungsmanagement, Prozessverbesserung, etc.).
Es gibt viele Headhunter-Anwerbungen über digitale Plattformen, jeder wurde schon einmal über Linkedin angesprochen: Wie hat die Digitalisierung, insbesondere LinkedIn und andere digitale Tools, die Art und Weise verändert, wie Sie Kandidaten identifizieren und ansprechen? Hat dies Ihre Arbeitsweise verändert?
Unser Unternehmen ist vollständig virtuell und hat vor langer Zeit die physischen Büros geschlossen, um in bessere Systeme und Werkzeuge zu investieren. Wir haben unser eigenes ATS (Applicant Tracking System) entwickelt und verwenden KI-Assistenten für Interviews: Aufnahme, Übersetzung, Informationen über Personen, Unternehmen, Technologien, KI ist sehr nützlich.
LinkedIn ist wie das, was man damals Rolodex nannte, ein Gerät zur Aufbewahrung von Visitenkarten: es ist nur ein Adressbuch. Natürlich ist das Netzwerk immer noch wichtig. Sie werden nach sehr kompetenten, mehrsprachigen und erfahrenen Leuten gefragt: Perfektion wird angestrebt, zuerst bei den technischen Fähigkeiten (hard skills) und dann bei den persönlichen Fähigkeiten (soft skills) und der Übereinstimmung mit den Werten des Unternehmens. LinkedIn und das Internet im Allgemeinen haben die Industrie dahingehend verändert, dass nicht mehr derjenige gewinnt, der die Informationen besitzt (sie sind öffentlich), sondern derjenige, der am besten weiß, wie er die richtigen Informationen aus dieser riesigen Datenmenge herausfiltern kann.
Bei LinkedIn lernt man, eine grosse Menge an Informationen schnell zu verarbeiten, um die Profile herauszufiltern, die am besten zum Mandat passen, aber auch um nach neuen Wegen und Informationen zu suchen, die zu einer Ausweitung der Suche führen können. LinkedIn ist heute sowohl für Firmen als auch für Bewerbende von entscheidender Bedeutung, aber ich denke, dass bald weitere Tools hinzukommen werden. Es ist ein Wettlauf um die Nutzung der Technologie.
Es muss spannend sein, mit so viel Humankapital und einer solchen Vielfalt an Profilen zu arbeiten, teilen Sie uns eine Anekdote oder einen besonderen Fall mit, der Ihre Karriere als Headhunter geprägt hat?
Es ist ein wenig unglücklich, ich habe viele Anekdoten, die aber nicht veröffentlicht werden können, da einige davon politisch nicht sehr korrekt sind. Einige Missverständnisse können sehr amüsant sein!
Was diesen Beruf so interessant macht, ist das Kennenlernen all dieser verschiedenen Industrien und Unternehmen. Es ist, als würde man jedes Mal eine neue Welt entdecken. Ausserdem lernen Sie viele Menschen kennen, zu denen Sie Vertrauen aufbauen und eine langfristige Beziehung aufbauen können. Zum Beispiel wurde eine Person, die ich eingestellt hatte, später ein guter Kunde und wir arbeiteten zusammen, um eine Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen zu unterstützen. Dieser Austausch ist die Belohnung für eine erfolgreiche und gesunde Geschäftsbeziehung.
Abschliessend, für diejenigen auf der anderen Seite des Zauns: Welchen Rat würden Sie einer Person geben, die auf Arbeitssuche ist, um ihre Chancen zu maximieren, von einem Headhunter entdeckt zu werden?
Die Grundlage ist ein sehr gutes LinkedIn-Profil: Erstellen Sie ein Profil mit einem roten Faden, der es ermöglicht, Sie in mehrere präzise „Schubladen“ zu stecken, geben Sie an, was Arbeitgeber wissen wollen, verwenden Sie keine Abkürzungen, erklären Sie, was Sie tun, geben Sie einen Kontext an und nennen Sie alle Schlüsselwörter, in denen nach Ihnen gesucht werden könnte. Legen Sie den Schwerpunkt auf Erfahrung und technische Fähigkeiten, nicht auf Soft Skills (diese kommen später). Die Nachfrage nach einer Übereinstimmung zwischen einem Profil und den geforderten technischen Fähigkeiten wird immer grösser. Sie müssen zu 120% passen!
Meiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll, ein «open to work»-Zeichen anzubringen, da dies keinen Headhunter interessiert und Sie schwächt, denn wenn Sie keine Arbeit haben, sind Sie auf dem Arbeitsmarkt weniger wert. Für den Lebenslauf gelten die gleichen Ratschläge. Darüber hinaus sollte er vollständig sein, ein Foto und persönliche Informationen enthalten (vermeiden Sie es, Informationen zu verbergen: Sie sind hier, um sich zu verkaufen) und einfach zu lesen sein. Zweitens würde ich sagen, dass Sie jederzeit mehr Kontakte knüpfen sollten: Networking ist nicht nur bei der Arbeitssuche wichtig, sondern immer. Wenn man mit einem Personalvermittler in Kontakt steht, aber das gilt für alle Personen, die man trifft, ist es wichtig, sich für den Gesprächspartner zu interessieren und nicht nur an sich selbst zu denken. Man darf nicht vergessen, dass der Headhunter von den Unternehmen bezahlt wird, nicht von den Bewerbern.
Vielen Dank, Grégoire, wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach Talenten!
Headhunter sind unverzichtbare Akteure in der Rekrutierungslandschaft, insbesondere für hochrangige Positionen in der Schweiz. Ihre Fähigkeit, die besten Talente zu identifizieren, anzusprechen und zu überzeugen, die auf traditionellem Wege oft nicht erreichbar sind, macht sie zu einem wertvollen Trumpf für Unternehmen. Die Beauftragung eines Headhunters ist zwar kostspielig, sichert aber die für die strategische Entwicklung von Unternehmen wichtigen Talente, insbesondere in Sektoren, in denen ein intensiver Wettbewerb um Kompetenzen herrscht. Es reduziert auch das Risiko von Fehlbesetzungen, die viel teurer sind als das Honorar des Headhunters.
Autor*in
Anne-Valérie Geinoz
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