Ein Leben vor dem Monitor?

Das Internet ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Umfragen und Studien zeigen: Wir verbringen etwa einen Drittel unserer Lebenszeit online. Das ist allerdings weniger Grund zur Sorge, als man meinen könnte.

Wer in seinem Smartphone die Auswertung der Bildschirmzeit pro Tag oder Woche anschaut, erschrickt: Meist ist die Zahl deutlich höher, als man es selbst eingeschätzt hat. Dazu kommt die Zeit, die viele von uns am Computer verbringen, zum Beispiel bei der Arbeit, aber auch beim netflixen oder beim Online-Shopping.

Fast 30 Jahre Online-Zeit

Anhand einer Umfrage des Software-Unternehmens NordVPN verbringen Menschen in Mitteleuropa rund einen Drittel ihrer Lebenszeit im Netz. Die Antworten aus Deutschland, Frankreich und Spanien dürften durchaus Rückschlüsse auf die Schweiz zulassen; sie weisen eine kumulierte Online-Zeit von 24 Jahren (Deutschland) bis 28 Jahren (Spanien) aus.

Betrachtet man nur das Freizeitverhalten, verbringen die Teilnehmer*innen den höchsten Anteil der Zeit mit Video-Inhalten – auf Streamingdiensten und in Mediatheken, aber auch auf YouTube und vergleichbaren Plattformen. Auf dem zweiten Platz liegen Social Media, gefolgt von Musik-Streaming, Aktivitäten rund um Online-Shopping und Gaming im Netz.

Gegen 30 Jahre verbringen Menschen in europäischen Ländern online

Deutsche bringen es auf über 24 Jahre Bildschirmzeit, Franzosen und Französinnen auf über 27 und Spanier*innen sogar auf fast 29 Jahre.

Mehr als nur Unterhaltung

Werden solche Zahlen publik, gehen sie meist auch mit Bedenken oder Kritik einher: «Früher war das nicht so! Da hat man noch zusammen geredet.», «Diese Leute machen ja gar nichts, sie schauen nur noch in ihre Telefone», «Sogar zum Kaffee trinken müssen sie ihre Computer mitnehmen» – so oder ähnlich klingt es dann.

Was diese Kritiker*innen vergessen: Als Betrachterin oder Betrachter sehen wir nur den Gegenstand, nicht aber die Tätigkeit – meistens jedenfalls. Der Anteil an «unproduktiven» Freizeitaktivitäten in den Umfrage-Ergebnissen mag hoch sein, macht aber dennoch nur einen Teil dessen aus, was wir am Monitor oder am Smartphone erledigen. Die Zahlen zeigen das nicht unbedingt: Ein Teil der erhobenen YouTube-Zeit zum Beispiel kann auch aus Lerninhalten bestehen.

Da das Internet unser ganzes Leben durchdringt, erledigen wir zudem ganz viel Alltägliches: Einfälle notieren, weil das Telefon im Gegensatz zum Notizbuch immer dabei ist. Gleich rasch die Spesenbelege vom Büro-Einkauf ins Formular eintippen, bevor es vergessen geht. Eine Geburtstagsfeier fürs Grosi organisieren in der Familien-Chatgruppe. Von einer Wartezeit profitieren und eine kleine Pendenz erledigen, die dann abends nicht mehr auf der To-do-Liste steht. Und was das Kaffeetrinken mit Computerpräsenz angeht – mobil-flexibles Arbeiten kann äusserst produktiv sein.

Bewusst die eigene Grenze setzen

Man kann die fast dauernde Präsenz von Smartphones und Computern gut finden oder nicht; entscheidend ist, was man daraus macht. Wenn dir die wöchentliche Auswertung deiner Bildschirmzeit zu hoch ist, überlege dir: Was möchte ich weglassen? Welche Dinge möchte ich stattdessen machen und finde nie die Zeit dafür? Aber vielleicht eben auch: Welche dieser Tätigkeiten am Monitor schaffen einen Wert in meinem Leben?

Wenn du deine Bestandsaufnahme gemacht hast, kannst du bewusste Entscheidungen treffen – für oder gegen Bildschirmzeit, dort wo es für dich richtig ist. Denn nur du kannst wissen, was du mit deiner Zeit anfangen willst und was du dazu brauchst.

Autor*in

Hansjörg Schmid

Hansjörg Schmid

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